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Das Imperium schlägt zurück

Udo Bauer 5. April 2004

Die Amerikaner zeigen Zähne und kämpfen im Irak nun an zwei Fronten – gegen die Sunniten im Norden und neuerdings gegen die Schiiten im Süden.

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„Sie sind nicht umsonst gestorben“, sagte der Chef der US-Besatzungsbehörde Paul Bremer und drohte Sühne an für die vier in der vergangenen Woche getöteten und von einem Mob grausam verstümmelten US-Zivilisten. Tatsächlich folgten der Ankündigung schnell Taten. Am Montag (5.4.) wurde die gesamte Stadt Falludscha von Marineinfanteristen abgeriegelt. Innerhalb und außerhalb der Stadt kam es zu Feuergefechten als die Soldaten damit begannen, Häuser zu durchsuchen. "Operation 'Vigilant Resolve'", wörtlich "wachsame Entschlossenheit", nennen die Amerikaner diese Suche nach den Verantwortlichen der Gräueltat. Eine schier unmögliche Aufgabe, aber sicher eine, die viele Sunniten in Falludscha noch weiter radikalisiert und gegen die Besatzer aufbringt. Aber damit können die Amerikaner noch leben, denn die Sunniten in Falludscha sowie in anderen Städten im so genannten Sunnitendreieck sind als Anhänger von Saddam Hussein so etwas wie ihre natürlichen Feinde. Dort ist sozusagen kein Blumentopf zu holen.

Aufstand der Verbündeten

Doch jetzt sind die Besatzer in einen klassischen Zweifrontenkrieg verwickelt, denn auch ihre natürlichen Verbündeten, die unter Saddam unterdrückten Schiiten, haben am letzten Wochenende mit einem bewaffneten Aufstand begonnen, der schon am ersten Tag zwischen 50 und 100 irakische Todesopfer forderte. In diese Auseinandersetzung sind die Amerikaner nicht einfach hineingeschlittert, sie haben sie provoziert durch ihr gezieltes Vorgehen gegen den radikalen schiitischen Geistlichen Muktada el Sadr. Anders als beim Großajatollah Ali al Sistani, auf dessen Meinung die Amerikaner sehr viel Wert legen, gingen sie bei el Sadr bald auf Konfrontationskurs. Zunächst schlossen sie seine Zeitung, nachdem diese nach amerikanischen Angaben zur Gewalt aufgerufen hatte. Danach hieß es, el Sadr stecke hinter Anschlägen auf GIs und irakische Polizisten und schließlich beschuldigte die Besatzungsbehörde CPA el Sadr des Mordes. Er soll für den Tod eines rivalisierenden Geistlichen verantwortlich sein, sagte am Montag ein CPA-Sprecher.

Wie eine Kriegserklärung

Wann die Amerikaner den Haftbefehl vollstrecken, das wollten sie nicht sofort sagen. Sie ließen aber keine Zweifel daran, dass man el Sadr das Handwerk legen werde – so oder so. Das ist nichts anderes als eine Kriegserklärung an die Schiiten. Denn der hitzköpfige, junge Geistliche hat eine sehr große Anhängerschaft vor allem unter der armen Bevölkerung und er hat eine eigene, gut ausgerüstete Miliz, die ihn bis zum bitteren Ende schützen wird, vor allem dann, wenn der Versuch unternommen wird, den Geistlichen dort zu verhaften, wo es sich von Berufs wegen häufig aufhält: in einer Moschee. Gelingt es den Amerikanern nicht, el Sadr innerhalb des schiitischen Klerus zu isolieren, dann kommt es im Süden des Landes zum Flächenbrand, dann ist der Buergerkrieg da, den die CPA unter allen Umständen verhindern wollte. Und dann darf ernsthaft bezweifelt werden, dass es, wie die USA es planen, Ende Juni im Irak zur Machtübergabe kommt.