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"Das hält höchstens fünf Jahre"

Nina Werkhäuser25. Juli 2003

Schon am Montagmorgen um 7 war die Welt gar nicht mehr in Ordnung. Die politische Woche in Berlin begann um 3.45 Uhr in der Frühe mit der Eilmeldung "Einigung bei der Gesundheitsreform".

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13 Stunden hatten die Vertreter von Regierung und Opposition in jener Nacht verhandelt, gut abgeschirmt in der Baden-Württembergischen Landesvertretung. Deren Mitarbeiter versorgten die wartenden Journalisten auch nach Mitternacht noch mit Häppchen, während drinnen das deutsche Gesundheitssystem seziert wurde.

Als die Operation geglückt war, trat das Verhandlungsteam in die Morgendämmerung hinaus und verkündete: Patient gerettet. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und ihr Gegenspieler von der Union, Horst Seehofer, priesen ihren gemeinsames Reformwerk als großen Wurf und gingen erst mal schlafen, ohne Details zu verraten. Die sickerten dann am nächsten Tag durch und kamen als kleine Schockwellen bei den Versicherten an: Sie sollen künftig eine Extra-Versicherung für den Zahnersatz abschließen, 10 Euro zahlen als Praxisgebühr beim Arzt und für jeden Tag im Krankenhaus und so fort.

Kurzlebige Rettungsmaßnahme

Die verkrusteten Strukturen aber bleiben weitgehend unverändert - mitsamt Abrechungsbetrug, Doppeluntersuchungen und überteuerten Medikamenten, was Unsummen verschlingt. Das einzige Trostpflaster: Die Krankenkassenbeiträge sollen sinken - hoffentlich.

Erstaunt vernahmen es die Versicherten, die ohnehin schon jeden Monat viel Geld an die gesetzlichen Krankenkassen zahlen und immer weniger dafür bekommen. Einerseits wurde ihnen die Reform als geniale Rettungsmaßnahme für das defizitäre Gesundheitssystem präsentiert, andererseits erklärte Horst Seehofer ganz direkt: "Das hält höchstens fünf Jahre."

Dass die deutsche Gesellschaft altert und die Gesundheitskosten stetig steigen, das habe man gar nicht erst berücksichtigt bei dieser Reform. Und schon ist die alte Debatte über das Pro und Contra einer Bürgerversicherung, in die alle einzahlen, wieder hochaktuell. Na prima, denkt sich frustriert der Versicherte, da können sich die Verhandlungsführer ja gleich wieder einschließen und weiter beraten. Und kauft sich sicherheitshalber schon mal eine Saftpresse und ein Jahresabo fürs Fitness-Studio.