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Das gezähmte Parlament

Eckart Aretz, tagesschau.de6. Dezember 2003

Wie auch immer das russische Parlament zusammengesetzt ist – die Macht ist begrenzt. Zentrale Bereiche bleiben dem Präsidenten vorbehalten. Nur selten trauen sich die Abgeordneten, dem Präsidenten in den Arm zu fallen.

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Russland wählt eine neue DumaBild: AP

Einen Tag lang versuchte sich die Duma in Unabhängigkeit. Im Oktober 2002 stimmte das russische Parlament in erster Lesung für ein Gesetz, dass es Wehrdienstverweigerern ermöglicht, den Zivildienst in ihrem Heimatort abzuleisten. Die Abgeordneten setzten sich damit über Präsident Wladimir Putin hinweg, der sich vehement gegen die Reform ausgesprochen hatte.

Nicht immer ist die Duma so unbotmäßig – wie zum Ausgleich billigte das Parlament schon am folgenden Tag die Wiedereinführung der Wehrkunde an Russlands Schulen. Und selbst wenn die Abgeordneten es wollten, sind ihnen doch zumeist die Hände gebunden. Die Verfassung nämlich konzentriert die politische Macht nach Landestradition beim Präsidenten, dem Parlament hingegen verleiht sie nur begrenzte Vollmachten.

Privilegien als Lockmittel

So verlangt die Verfassung zwar die Zustimmung der Duma zur Ernennung des Regierungschefs. Lassen die Abgeordneten aber den Kandidaten des Präsidenten dreimal durchfallen, muss das Parlament aufgelöst werden – und die Abgeordneten riskieren ihren mit angenehmen Privilegien ausgestatteten Parlamentssitz.

Auch die Außen-, Innen- und Verteidigungspolitik ist laut Verfassung die Domäne des Präsidenten. Die zuständigen Minister sind ihm direkt unterstellt. Das Staatsoberhaupt legt die Grundlinien der Außenpolitik fest und ist Oberbefehlshaber der Armee. So bleibt der Duma als wichtigste Kompetenz die Verabschiedung des Haushaltsgesetzes.

Vorteil für den Präsidenten

Sollte der Präsident gegen dieses oder andere Duma-Gesetze ein Veto einlegen, so kann die Duma den Einspruch wieder überstimmen. Hierfür ist aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Dieselbe Hürde hat die Verfassung vor die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens durch die Duma gestellt.

Insgesamt sitzen im Parlament 450 Abgeordnete. Die Hälfte von ihnen rückt über Listen derjenigen Parteien ein, die den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft haben. Die übrigen 225 Sitze werden in den Wahlkreisen direkt gewählt. Formell ist die Duma das Unterhaus, als Oberhaus wird gemeinhin der Föderationsrat bezeichnet. Dorthin entsenden die Republiken und Regionen Russlands ihre Vertreter. Beide Organe können die Verfassung ändern. In der Duma ist dafür aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich.

So bleibt die Duma ein Haus mit beschränkten Befugnissen. Nicht jeden Abgeordneten stört dies – nach einer vom Kreml lancierten Liste sitzen 216 Abgeordnete vor allem deshalb im Parlament, weil sie so Immunität genießen und vor Strafverfolgung geschützt sind. Wer sich hingegen mit den falschen Gruppen anlegt, lebt auch als Abgeordneter gefährlich. Das letzte Opfer war der liberale Abgeordnete Sergej Juschenkow. Im April wurde der Vorsitzende der Partei "Liberales Russland" vor seiner Wohnungstür erschossen. Er galt als engagierter Bekämpfer der Korruption und als entschiedener Gegner von Präsident Putin. Nur wenige Stunden vor seinem Tod hatte er die Zulassung seiner Partei zur Dumawahl bekannt gegeben.