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Das Geld liegt auf dem Rasen

Sebastian Schubert24. Oktober 2005

Wirtschaft und Fußball spielen sich vor der WM die Bälle zu. Rund um den Fußball lässt sich viel Geld verdienen. Das tut auch eine Gärtnerei, die mit der Grassorte Poa Pratensis den WM-Rasen gezüchtet hat.

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Noch gilt: Betreten verboten!

Wie ein Gärtner sieht Thomas Büchner eigentlich nicht aus. Keine erdigen Fingernägel bedienen das Klischee, und auch sonst sucht man vergeblich nach Spuren der täglichen Arbeit. Stattdessen erinnert sein Büro an die Ruhmeshalle eines Fußballclubs. Pokale, Mannschaftsfotos und Fußbälle zieren mehrere Glasvitrinen. Wenn er von der Fußballweltmeisterschaft 2006 im eigenen Land spricht, merkt man schnell: Thomas Büchner ist im WM-Fieber. Er kann den Tag kaum erwarten, an dem Michael Ballack die deutsche Mannschaft zum Eröffnungsspiel in München in die Arena führt. Denn die Wahrheit liegt bekanntlich auf dem Platz, oder – besser gesagt – auf dem Rasen.

Der Rasenpapst

Thomas Büchner ist für das satte grün in fünf deutschen WM-Stadien verantwortlich. Der mittelständische Unternehmer aus der Nähe von Darmstadt ist so etwas wie der Gras-Guru der deutschen Rasenszene. Über Jahre hinweg perfektionierte Büchner sein grünes Gold – auf Bolzplätzen, in der Natur und in speziellen Graslaboren. Nun ist er fertig, der WM-Rollrasen. Poa Pratensis heißt Büchners Baby in der Sprache der Fachleute – auf deutsch: Wiesenrispe. Für einen Künstler hält sich Büchner nicht: "Rasen ist für mich ein Gebrauchsgut", sagt er klipp und klar.

Auf die Ernährung kommt es an

Für ein Gebrauchsgut muss das Gras allerdings hart im Nehmen sein. Mit traktorähnlichen Ungetümen schälen Büchner und seine 21 Mitarbeiter Bahn für Bahn den Rasen aus dem Boden. Am Ende liegt das Premium-Gras wie eine Teppichrolle auf dem Feld. Die Wurzeln sind gekappt. Was sich wie ein Super-Rasen-Gau anhört, ist aber wichtig. Denn nur, wenn der Rasen frische Wurzeln bilden muss, wächst er in den Stadien an. Das WM-Organisationskomitee hat eigens ein "Rasenkompetenzteam" gegründet, das jeden Halm unter die Lupe nimmt. Hat es Poa Pratensis ins Stadion geschafft, kommt es auf die richtige Pflege an. Wie ein Hochleistungssportler braucht auch ein Hochleistungsrasen die richtige Ernährung. Ausgewogen, nährstoffreich und auf den Tag verteilt. Was für Michael Ballack gilt, gilt auch für Poa Pratensis.

Stress für jeden Halm

Wie ein Trainer arbeitet Büchner mit dem Rasen. Dazu gehören auch regelmäßige Leistungstests. "Wir gewöhnen den Rasen an Stress", erklärt Büchner. "Um im Stadion in Hochform zu sein, muss unser Gras vorher fit gemacht werden". Und das stellt er unter Beweis: Mit einer speziell angefertigten Walze, die mit Noppen ausgestattet ist, simuliert Büchner die Stollen an den Fußballschuhen. Mit dieser Walze ruckelt Büchner über den Rasen. Der Plan: Jeder Halm soll die eigene Regenerationsfähigkeit ausbauen. Doch Büchner ist nicht nur der harte Trainer, sondern auch der zärtliche Rasenflüsterer. "Ich kann das Gras wachsen hören", erzählt er stolz.

Reibach mit Rollrasen

Büchners Produktion umfasst nicht nur den WM-Rasen. Über fast 50 Hektar erstrecken sich seine Züchtungsflächen; das entspricht einer Fläche von einer halben Million Quadratmetern. Jeder Grashalm ist bares Geld wert. Den Löwenanteil des Umsatzes von zwei Millionen Euro erwirtschaftet Büchner aus dem Geschäft mit Hausgärten. Das wird auch nach dem Auftrag der FIFA so bleiben, der ein Volumen von immerhin fast 700.000 Euro hat. Zusammen mit weiteren Aufträgen aus Deutschland und dem europäischen Ausland kommt die Fußballsparte bei Büchner auf rund 30 Prozent des Gesamtumsatzes – mit steigender Tendenz, denn die Nachfrage ist zuletzt explosionsartig in die Höhe geschnellt.

Kampf gegen die Spucker

Doch wie fühlt man sich, wenn das eigene Werk immer wieder zerstört wird? Dass sein gehegtes Grün von Fußballschuhen zertrampelt wird, kann Büchner verschmerzen. "Aber eine Sache tut mir schon in der Seele weh: nämlich wenn die Fußballer achtlos auf den Rasen spucken. Das finde ich traurig." Verhindern kann Büchner das nicht. Er hofft aber, dass es möglichst wenige Gelegenheiten dazu gibt. Um die nötige Feuchtigkeit des Rasens kümmern wir uns, die sollen lieber technisch guten Fußball spielen, sagt er. Ball-Zauber statt Bolzplatz-Maloche. Aber Rasen hin oder her: Eins versichert Thomas Büchner glaubhaft: Wenn ein Tor für die deutsche Mannschaft fällt, wird er mindestens einen halben Meter hochspringen und dabei nicht an den Rasen denken.