1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das Ende der Tordiskussion

Thomas Klein31. Mai 2014

Bei der Fußball-WM in Brasilien vertraute die FIFA auf technische Hilfsmittel: Die Torlinientechnik "GoalControl" unterstützte Schiedsrichter bei ihrer Entscheidung und verhinderte Diskussionen.

https://p.dw.com/p/1C4zY
Eine Uhr der Torlinientechnologie GoalControl-4D. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Tofik Bachramow, Linienrichter aus der ehemaligen Sowjetunion, sorgt immer noch für Diskussionen in Kneipen, bei Fußball-Stammtischen, Journalisten und Fans. Er war 1966 verantwortlich dafür, dass England seinen ersten WM-Titel feiern durfte und Deutschland den Sieg verpasste. Bachramow entschied in der 101. Minute des Finales im Wembley-Stadion auf Tor. Ein Schuss von Englands Stürmer Geoff Hurst war von der Latte nach unten auf die Torlinie geprallt. Anschließend entschärfte DFB-Spieler Wolfgang Weber die Situation, indem er den Ball ins Aus beförderte.

Der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst stand nur wenige Meter entfernt, war sich aber unschlüssig, nur der Linienrichter in rund 40 Metern Entfernung wollte den Ball hinter der Torlinie gesehen haben und entschied auf Tor für England - die Geburtsstunde des Wembley-Tores. "Ich weiß auch heute noch nicht, ob der Ball drin war. Und wenn sie mich nach 100 Jahren wieder ausgraben und ich komme neu auf die Welt, weiß ich es immer noch nicht", sagte Schiedsrichter Dienst fast 30 Jahre danach.

"Sicher und zuverlässig"

Um erneute Diskussionen zu vermeiden, beschloss der Fußball-Weltverbandes (FIFA) im Vorfeld der Weltmeisterschaft in Brasilien, während des Turniers auf das in Deutschland entwickelte System "GoalControl 4D" zu setzen. Ein voller Erfolg: Nach strittigen oder knappen Entscheidungen wurde bei der WM Sekunden später auf der Anzeigetafel - für alle Zuschauer im Stadion sichtbar - gezeigt, ob der Ball hinter der Linie war oder nicht. Und einmal entschied das System sogar auf Tor: Beim Vorrundenspiel zwischen Honduras und Frankreich brachte "GoalControl" nach einem Schuss von Karim Benzema den Beweis, dass der Ball tatsächlich hinter der Linie war.

So funktioniert die Torlinientechnik GoalControl (Infografik: DW)
Kameras und Signale: So funktioniert die Torlinientechnik "GoalControl"

Sieben Hightech-Kameras beobachten den jeweiligen Strafraum. Die Position des Balles wird kontinuierlich und automatisch erfasst, sobald das Spielgerät in Nähe der Torlinie ist. Überquert der Ball den 7,32 Meter langen Strich zwischen den Pfosten in vollem Umfang, sendet das System ein Signal an den Schiedsrichter, der einen Empfänger am Handgelenk trägt. Schafft der Ball es jedoch nicht komplett hinter die Torlinie, bleibt die "Empfängeruhr" des Spielleiters stumm. "Die Systeme werden lange vor dem ersten offiziellen Einsatz von einem von der FIFA akkreditierten, unabhängigen Institut getestet", berichtet Broichhausen. Die Diskussionen über die Zuverlässigkeit könne er überhaupt nicht nachvollziehen. "Die Systeme sind sicher, sie sind zuverlässig."

Tor oder kein Tor?

Viele Fußball-Romantiker sehen in der Neuerung eine Gefahr: Ist die Torlinientechnik etwa erst der Anfang? Kommt bald der Videobeweis auch bei Abseitsentscheidungen und strittigen Elfmeterszenen? Werden Schiedsrichter bald sogar überflüssig? "Nein", sagt der Geschäftsführer von "GoalControl", der persönlich dem FC Bayern München die Daumen drückt. Die Schiedsrichter werden durch das System lediglich bei ihrer Entscheidung - Tor oder kein Tor - unterstützt. "Der Schiedsrichter steigert sich definitiv in der Qualität seiner Entscheidungen", glaubt Broichhausen.

Diskussionen im Fußball bleiben

Fakt ist: Die Geschwindigkeit im Fußball hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Der Sport ist athletischer geworden, und viele Szenen sind für das bloße Auge kaum noch sichtbar und korrekt beurteilbar. Da ist es nur die logische Konsequenz, dass auf technische Hilfsmittel zurückgegriffen wird. Der Fußball hat sich durch "GoalControl" nicht verändert, das Spiel ist gleich geblieben, nur der Schiedsrichter kann seine Entscheidungen mit größerer Sicherheit treffen. "Emotionen gehören zum Fußball dazu und sind auch gut, dafür sollten aber nicht die Referees verantwortlich sein", sagt Amateur-Schiedsrichter Darius Kudela. Er weiß, dass viele seiner Kollegen eine technische Unterstützung im Fußball befürworten.

Deutschland Fußball Bundesliga 1. FSV Mainz 05 gegen SV Werder Bremen, Diskussion der Spieler mit Schiedsrichter Wolfgang Stark (Foto: dpa)
Diskussionen wird es im Fußball immer gebenBild: picture-alliance/dpa/F. Von Erichsen

Es würde also auch in der Bundesliga keine Diskussion mehr wie beim Wembley-Tor geben, oder wie beim Phantom-Tor von Stefan Kießling gegen Hoffenheim. Tore sind Tore, solange die Technik ohne Probleme funktioniert. Streitgespräche werden aber dennoch stattfinden, da können alle Fußball-Traditionalisten beruhigt sein, denn dafür bietet der Sport nach wie vor viele andere Möglichkeiten: War es ein Handspiel? Stand der Spieler im Abseits? Hätte der Trainer taktisch anders spielen müssen? Das war bei der WM so, das ist auch in der englischen Premier League so, wo schon länger Torlinientechnik zum Einsatz kommt - und es wird mit Sicherheit auch in der Bundesliga so sein, sollte die Torlinientechnik eingeführt werden.