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Die Albaner und der Krieg

24. März 2009

Am 24.03.1999 begann die NATO ihre Luftangriffe auf die Bundesrepublik Jugoslawien. Kurz darauf begannen serbische Truppen mit der Vertreibung der mehr als 700.000 Kosovo-Albaner. Mehr als 5000 Albaner wurden umgebracht.

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Zwei Frauen stehen in der Tür eines Gebäudes (Foto: Filip Slavkovic)
Sofije Rashkaj und Dile PrekpalajBild: Filip Slavkovic

Zwölf Frauen sitzen im schlichten Büroraum des Bäuerinnenvereins des Dorfes Klein Krusha im Süden des Kosovo. Diese Albanerinnen sind Witwen und Waisen. Sie haben ihre Ehemänner, Väter und Söhne vor zehn Jahren verloren.

Am Freitag, den 26. März 1999, trieben plötzlich aufgetauchte serbische Truppen die Bewohner Klein Krushas zusammen. Sofije Rashkaj sah ihren Mann und ihren Sohn nie wieder. "Serbische Polizisten und Soldaten haben uns Frauen verjagt. Die männlichen Kinder durften wir nur mitnehmen, wenn sie jünger als zehn Jahre alt waren", erzählt sie. Sie ist mit mehr als 200 Frauen über den Fluss Drin in ein Dorf am anderen Ufer geflohen. "Die Leute dort haben uns geholfen." Nach drei Tagen seien sie weiter zu Fuß über die albanische Grenze geflohen.

Sechs Überlebende, 115 Tote

Ein schwarz-weiß Foto von Kindern an einem Feld (Foto: Mimoza Veliu)
Mimoza Veliu: "Die Kinder von Krusha"Bild: Mimoza Veliu

Die Männer Klein Krushas dagegen wurden in einem Haus versammelt. Serbische Milizionäre erschossen sie mit Maschinengewehren. Danach verbrannten sie die etwa 115 Leichen. Nur sechs überlebten. Viele der Opfer gelten noch heute als vermisst.

Dile Prekpalaj lebte damals in dem Dorf am anderen Ufer vom Drin. "Wir haben alles mit dem Fernglas beobachtet und man konnte alles gut sehen konnte. Wir haben die serbischen Panzerwagen gesehen, haben gesehen, wie die serbischen Truppen die Menschen aus dem Dorf verjagt haben", sagt sie. Auch Dile und ihre Familie mussten ihre Heimat verlassen. Sie begaben sich - wie fast alle Albaner aus der Region - auf den Weg nach Albanien.

Rückkehr in ein zerstörtes Dorf

Die Frauen und Kinder von "Krusha e Vogel", wie der Ort auf Albanisch heißt, wurden in der albanischen Grenzstadt Kukes in den Bergen und in Durres an der Adria-Küste in Flüchtlingslagern untergebracht. Am 14. Juni 1999, gleich nach dem Ende des Krieges, kamen sie in ihr Dorf zurück. Sie fanden verbrannte Häuser und erschossenes Vieh vor.

Das Massaker von "Mala Krusa", wie das Dorf auf Serbisch heißt, wurde vor dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verhandelt. Anfangs wurden die Witwen und Waisen von internationalen Helfern betreut. Langsam schwand aber das Interesse der Öffentlichkeit und die Überlebenden blieben allein.

Mit Kühen gegen die Armut

Ein steriler Topf für die Milchproduktion (Foto: Filip Slavkovic)
Die Kleinmolkerei ernährt 80 Frauen und ihre FamilienBild: Filip Slavkovic

Vor sieben Jahren gründeten sie, unterstützt von der Organisation "Heifer International", einen Bäuerinnenverein. Fünfzig Frauen bekamen Kühe geschenkt. "Das Projekt läuft sehr gut, es hat uns allen sehr geholfen. Wir haben genug Milch für die Familie und verkaufen auch Milch, Käse und Quark", erzählt Silveta Hajdari.

Ein Kilogramm Käse wird in der benachbarten Stadt Prizren für 2,15 Euro und ein Kilogramm Quark für 1,15 Euro angeboten. Von diesem Geld leben bei Hajdaris drei Frauen mit mehreren Kindern. Die Männer aus Silvetas Familie wurden vor zehn Jahren ermordet. Nur der jüngste Bruder ihres Ehemannes, der bei den albanischen Guerillas in den Bergen kämpfte, überlebte.

Die Erinnerung ist noch lebendig

Im Labor- und Produktionsraum der Molkerei des Bäuerinnenvereins steht heute Dile Prekpalaj. Zwar stammt sie nicht aus Klein Krusha, doch sie hat den Hinterbliebenen des Massakers aus dem Nachbardorf schon nach deren Vertreibung geholfen. Also wurde sie, die als einzige eine Hochschulausbildung hat, gebeten, die Geschäftsführung der Kleinmolkerei zu übernehmen. Von der Molkerei ernähren 80 Bäuerinnen ihre Familien im Dorf der Witwen. Männer gibt es zwar mittlerweile wieder in Klein Krusha. Doch der Ort und die Region um den Fluss Weißer Drin haben sich auch zehn Jahren nach dem Krieg von der Gräueltat noch nicht erholen können.

Autor: Filip Slavkovic

Redaktion: Julia Kuckelkorn