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Das Dilemma der Generäle

Daniel Scheschkewitz, Washington30. März 2003

Trotz gegenteiliger Behauptungen – die Hoffnung der US-Militärstrategen auf einen kurzen Irak-Krieg erfüllt sich offensichtlich nicht. Für ihr weiteres Vorgehen müssen sie sich zwischen zwei Alternativen entscheiden.

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Strategie-Planung im Weißen HausBild: AP

Seit Tagen ist in der Medienberichterstattung vom bevorstehenden Kampf um Bagdad die Rede. Dabei ist es längst nicht sicher, dass diese Schlacht in Kürze stattfinden wird. In einem Krieg, der für die USA schon manche Überraschung parat hielt, ist Flexibilität die vielleicht wichtigste Eigenschaft erfolgreicher Kriegsstrategie. Derzeit werden unter den US-Generälen vor Ort und im Pentagon vor allem zwei Optionen auf ihre Chancen und Risiken hin abgewogen.

Eine Möglichkeit wäre tatsächlich ein schneller Vorstoß in die Außenbezirke Bagdads. Dort müsste zunächst der Verteidigungsring der Republikanischen Garden Saddam Husseins durchbrochen werden, diese Einheiten besiegt und dann der Kampf in den Straßen der Stadt selbst bestanden werden. Die große Unbekannte in dieser Strategie liegt im unkalkulierbaren Verhalten der Hauptstadtbevölkerung. Ein weiteres hohes Risiko liegt in der Gefahr von verlustreichen Häuserkämpfen, die das US-Militär nach den schlechten Erfahrungen von Mogadischu 1993 gerne meiden möchte.

Längere Belagerung

Die Alternative zu einer schnellen Erstürmung Bagdads läge in einer längeren Belagerung der Stadt, während gleichzeitig in den südirakischen Städten Saddams paramilitärische Fedajin-Verbände bekämpft würden. Diese Option scheint von einigen US-Generälen gegenwärtig bevorzugt zu werden. Sie hätte den zusätzlichen Vorteil, dass man abwarten könnte, bis die amerikanischen Bodentruppen im Irak durch zusätzliche Verbände verstärkt wären.

Das Pentagon hat die Verlegung weiterer 100.000 Soldaten in den Irak angekündigt, darunter die als besonders schlagkräftig eingeschätzte vierte Infanteriedivision aus Fort Hood in Texas, die derzeit nach Kuwait unterwegs ist. In der Zwischenzeit könnten die amerikanischen und britischen Streitkräfte die Verteilung von Hilfsgütern im Irak aufnehmen und dabei Sympathiepunkte in der irakischen Bevölkerung und der kritischen Weltöffentlichkeit sammeln.

Britische Truppen in der Wüste von Kuweit
Geplante TruppenverstärkungBild: AP

Kein Krieg nach Plan

Die Tatsache, dass diese beiden höchst unterschiedlichen Konzepte diskutiert werden, spricht schon Bände über den bisherigen Kriegsverlauf. Von Anfang an mussten die US-Militärs ihre Strategie in diesem Konflikt immer wieder an neue Gegebenheiten anpassen. Da waren zunächst die überraschenden Hinweise auf den Aufenthaltsort Saddam Husseins, die zum früher als eigentlich geplanten Beginn des Krieges am Donnerstag (20.3.) vergangener Woche geführt hatten. Dann kamen die unwerwartet harten Kämpfe um die südirakische Hafenstadt Umm Kasr und die guerrillia-artige Kampftaktik der irakischen Spezialeinheiten.

Bomben werden bereitgestellt
Bombenvorbereitung der US-TruppenBild: AP

Zu den bisher nicht aufgegangenen Konzepten der US-Kriegsplaner zählt wohl auch der sogenannte Schock- und Schreck-Luftangriff auf Bagdad. Wie so viele amerikanische Erwartungen in diesem Krieg wurde auch diese enttäuscht: Der erhoffte Kollaps des irakischen Regimes nach massiven Luftangriffen in nur wenigen Nächten blieb aus. Die vielen hundert Ex-Generäle und Bildschirmstrategen, die in den vergangenen Tagen und Wochen den wahrscheinlichen Kriegsverlauf vorher gesagt haben, sind entsprechend vorsichtiger geworden.