1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das Dieter-Prinzip

Suzanne Cords 7. Februar 2014

Geliebt, gehasst, verspottet: Der Mann spaltet die Nation. Millionen kennen Dieter Bohlen als Sprücheklopfer einer Casting-Show, seine Karriere begann er als Schmusesänger. Jetzt feiert der Pop-Titan seinen 60.

https://p.dw.com/p/1B1ub
Dieter Bohlen mit der Daumen hoch-Geste Foto: ddp images/AP Photo/Hermann J. Knippertz
Bild: AP

Man schrieb das Jahr 1984, als Dieter Bohlen, der blonde Part des Popduos "Modern Talking", an der Seite des dunkelhaarigen Schönlings Thomas Anders seinen ersten Nummer-1-Hit landete: "You're my heart, you're my soul" wurde in mehr als 35 Ländern verkauft und rund um den Globus 57 Mal mit der goldenen Schallplatte und in Südafrika sogar mit Doppel-Platin ausgezeichnet. Obwohl die breite Öffentlichkeit den Namen Bohlen damals zum ersten Mal hörte, war der gelernte Diplom-Kaufmann aus Oldenburg da schon längst ein alter Hase im Musikgeschäft.

Der Traum vom Ruhm

Mit 15 hatte er mit einem Kumpel die Band Mayfair gegründet. Der erste Auftritt geriet zum Fiasko vor der Dorfjugend, doch der ehrgeizige Dieter gab nicht auf. Mit einem Mix aus Deep Purple, Uriah Heep und eigenen Werken wagten sich die beiden nochmal auf die Bühne - und diesmal hatten sie ihr Publikum im Griff. Dieter träumte von der großen Musikerkarriere, sein Vater davon, dass der Sohn die Straßenbaufirma der Familie übernimmt. Also schrieb der junge Bohlen sich in Betriebswirtschaft ein.

Sein Studium finanzierte sich der Niedersachse mit Bandauftritten, gleichzeitig schickte er Demotapes an große Plattenfirmen. 1979 dann unterschrieb er einen Vertrag bei dem Hamburger Verlag "Intersong" und produzierte von da an deutsche Schlagergrößen wie Peter Alexander, Roy Black, Howard Carpendale oder Rex Gildo und die Wildecker Herzbuben und komponierte für den Eurovision Song Contest, der damals noch "Grand Prix Eurovision de la Chanson" hieß.

Welterfolg in Eunuchentonlage

Im Duo mit Anders mutierte er selbst zum Hitwunder, obwohl er seine Gesangsqualitäten später eher selbstironisch kommentierte: "Gequietsche in Eunuchentonlage war seit Studententagen mein Spezialgebiet." Dem Publikum gefiel's. Lieder wie "Cheri Cheri Lady", "You Can Win If You Want" oder "Sexy Sexy Lover" stürmten die Charts, insgesamt fünf Nummer Eins-Hits lieferten die beiden hintereinander ab - einmalig in der deutschen Musikgeschichte. 60 Millionen Scheiben gingen über den Ladentisch, trotzdem trennten sich Modern Talking 1987 wegen dauernder Streitigkeiten. Zwar raufte man sich 1999 nochmal zusammen, um das Erfolgsprojekt wiederzubeleben, doch der Versuch endete erneut in einer medienwirksamen Schlammschlacht.

Gespür für Erfolg

Schon nach dem ersten Aus hatte Dieter Bohlen wie ein Besessener weitergearbeitet. Er gründete Blue System, produzierte C. C.Catch und noch einige andere Musikprojekte unter Pseudonym, schrieb Musik für Deutschlands beliebteste Krimireihe "Tatort". Später pushte er Yvonne Catterfelds Karriere oder komponierte für die Schlagerköniginnen Andrea Berg und Helene Fischer, und auch internationale Stars wie Bonnie Tyler oder Al Martino legten ihr Schicksal in seine Hände. Der Erfolg blieb selten aus, der Mann hat ein Gespür für das, was sich verkauft. In der Sowjetunion brachte ihm das 1989 die Auszeichnung als erfolgreichster Künstler des Jahres ein: Selbst Weltstars wie Michael Jackson, Abba oder den Beatles blieb diese Ehrung verwehrt.

Schlagzeilen mit Schmuddeldetails

Um 2000 lief es bei der Talentsuche nicht mehr ganz so rund für den umtriebigen Allround-Unternehmer. Stattdessen veröffentlichte Bohlen mit Hilfe der Klatschkolumnistin Katja Kessler seine Memoiren. "Nichts als sie Wahrheit" stürmte die Bestsellerlisten, die Leser erfuhren alle schmuddeligen Details über seine Bettgeschichten – und davon gab es viele. Die Fortsetzung "Hinter den Kulissen" geriet nicht weniger niveaulos und brachte ihm hämische Schlagzeilen. Mit Spott kann der Unternehmer hervorragend umgehen; 90 Prozent dessen, was die Boulevardpresse über ihn schreibt, sei eh erfunden, sagt er. Und mit einem geschätzten Vermögen von 135 Millionen Euro kann man ja auch gelassen bleiben.

Die DSDS-Ära

Im Herbst 2002 brach für Bohlen eine neue Ära an. Als Jury-Mitglied von "Deutschland sucht den Superstar" verhilft ein braungebrannter Dieter mit breitem Zahnpasta-Lächeln und frecher Schnauze der Casting-Show seitdem mit grenzwertigen Kommentaren zu nicht unerheblicher Popularität. Ohne ihn wären "DSDS" und das 2007 nachgeschobene "Das Supertalent"-Format nicht das, was sie heute sind - die erfolgreichsten Casting-Shows im deutschen Fernsehen.

Die Kandidaten hoffen auf die schnelle Karriere, doch untalentierte Sänger kanzelt Bohlen gnadenlos ab. Seine hämischen Sprüche haben beim überwiegend jugendlichen Publikum längst Kultstatus: "Arbeite als Domina. Du brauchst keine Peitsche, du kannst deine Stimme nehmen." Oder: "Wenn ich mir 'nen Döner ans Ohr halte, dann höre ich wenigstens das 'Schweigen der Lämmer'. Aber bei dir, da ist einfach nichts!", und "Wenn du zur Zeit von Moses gelebt hättest, dann wärst du wohl die 11. Plage gewesen. 'Ne Stimme zum Niederknien, aber nur, damit man sich nicht auf die Füße kotzt."

Wenn die aussortierten Kandidaten dann den Tränen nahe in die Kabine zurückschleichen, setzt Bohlen gern noch einen drauf: "Ihr rennt alle raus und seid traurig, dass ihr nicht singen könnt, aber Schweine können auch nicht Stabhochspringen, und die sind auch nicht traurig."

Nachwuchs in der Mottenkiste

Manchmal mutiert der Dieter allerdings auch zum fürsorglichen Vater, nimmt schräge Vögel oder gescheiterte Existenzen unter seine Fittiche. Für seine Finalisten produziert er gemeinsame Nummern mit bezeichnenden Titeln wie "We Have A Dream". Den Traum von der ganz großen Karriere konnte sich bisher allerdings keiner der Gewinner der Casting-Shows erfüllen, der Nachwuchs landet meist schnell in der Mottenkiste.

Die weitverbreitete Schelte, er verheize arglose Jugendliche, nimmt Bohlen gelassen. Hauptsache, die Quote stimmt. Der Pop-Titan kennt da keine Gnade - auch wenn man ihm in der aktuellen Staffel eine gewisse Altersmilde nachsagt. Zwar fielen die Einschaltquoten zeitweise in den Keller, und die Medien fielen unisono über Bohlen her, doch das Stehaufmännchen straft alle Lügen. Die neueste Staffel erfreut sich wieder glänzender Zuschauerzahlen. Und macht Bohlen inklusive lukrativer Werbeverträge um noch ein paar Milliönchen reicher.

Erfolgskonzept à la Dieter

Der Mann ist ein Phänomen im deutschen Musikbusiness. Er selbst nennt sein Erfolgskonzept gern das D.I.E.T.E.R.-Prinzip: "D für Disziplin, I für Intuition und Intelligenz, E für Ehrgeiz, T für Taten; die meisten labern ja nur rum und machen nichts. Dann noch mal E für die Extrameile laufen, ein bisschen mehr machen als die anderen, und R für eine gewisse Rücksichtslosigkeit gegen sich selber." Am 7. Februar feiert der Dieter seinen 60. Geburtstag; frisch geliftet, munkelt man - aber auf alle Fälle erfolgreich wie eh und je.

Bohlen mit drei DSDS-Sängerinnen Foto: Achim Scheidemann dpa
Von diesen Kandidatinnen spricht längst kein Mensch mehrBild: picture-alliance/dpa
Dieter Bohlen, im Hintergrund das DSDS-Logo Foto: dpa - Bildfunk
Seit elf Jahren sitzt Bohlen in der DSDS-JuryBild: picture-alliance/dpa
Fatma Walz und Dieter Bohlen @picture alliance
Fatma Walz brachte 2013Bohlens sechstes Kind zur WeltBild: picture-alliance/rtn-radio tele nord
Thomas Anders (links) und Dieter Bohlen auf der Bühne Foto: imago
Schon in den 80ern warf der Dieter dem Thomas skeptische Blicke zuBild: imago