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Das Comeback der Ilke Wyludda

Tobias Oelmaier4. September 2012

Die Olympiasiegerin von Atlanta 1996 versucht sich nach einer Unterschenkel-Amputation nun bei den Paralympics in London. Im Diskuswerfen schied sie trotz neuer persönlicher Bestleistung aber aus.

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Die deutsche Diskuswerferin Ilke Wyludda wirft den Diskus von einem Hocker aus (Bild: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Für einen Moment war alles wie früher: Ilke Wyludda war alleine im Diskusring, 80.000 Menschen jubelten ihr zu. Eine Übung, die sie schon tausend Mal vollführt hat - allerdings stand diesmal in der Mitte des Wurfkreises ein Hocker. Und auch die Weite war eine ganz andere, als die, die sie in den 90er-Jahren reihenweise erzielt hatte. Damals, als sie Olympiasiegerin wurde. Jetzt in London stellte sich die erfolgsverwöhnte Ilke Wyludda der neuen Realität: Diskuswurf bei den Paralympics. Immerhin gelang der 43-Jährigen mit 29,57 Metern eine persönliche Bestleistung. Dennoch schied sie als Neunte bereits nach der Qualifikation aus.

Amputation als guter Kompromiss

Vor knapp zwei Jahren hat Ilke Wyludda ein Bein verloren. Eine offene Wunde am rechten Unterschenkel hatte sich infiziert, es blieb ihr nur die Wahl zwischen einem Leben ohne Bein oder dem sicheren Tod. Wyludda entschied sich für Ersteres. "Es ging um mein Leben, das war mir klar - und da war die Amputation ein guter Kompromiss", sagt sie heute. Sie tut das mit einer gewissen Abgeklärtheit. Als Anästhesistin weiß sie um die Notwendigkeit solcher folgenschwerer Eingriffe.

Die deutsche Diskuswerferin Ilke Wyludda bei einem Wurf in Atlanta 1996.
1996 noch gefeierte Olympiasiegerin, dann Rücktritt, Amputation, jetzt das ComebackBild: picture-alliance/dpa

Trotz des erfüllenden Berufes an derselben schicksalhaften Klinik,wo ihr der Unterschenkel entfernt werden musste, in Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt, spürte Ilke Wyludda schnell, dass sie auch körperlich wieder aktiv werden muss. Aus Zeitvertreib und Fitness wurde schnell ein zweiter Lebensinhalt. Im letzten Herbst stieg sie wieder in den ernsthaften Wettkampfsport ein. Inzwischen absolviert die zweimalige Vizeweltmeisterin schon wieder 80 Prozent des Trainingsumfanges aus der Zeit als Weltklasseathletin. "Ich lasse alles auf mich zukommen. Dass ich überhaupt dabei bin, ist eine tolle Sache. Alles andere ist Zugabe. Ich werde es genießen", sagte sie vor den Paralympics der "Welt am Sonntag". "Von Medaillen zu reden, wäre etwas vermessen."

Das ist keine Tiefstapelei. Steffi Nerius, selbst Speerwurf-Weltmeisterin und seit zehn Jahren Trainerin im Behindertensport, erklärte in derselben Zeitung, dass die jetzigen Voraussetzungen komplett anders seien als beim ganz normalen Diskuswerfen: "Das kann man nur schwer miteinander vergleichen."

Doppelter Einsatz auf einem Bein

Wenigstens Gerhard Böttcher, damals wie heute ihr Trainer, macht Ilke Wyludda und ihren Fans Mut: "Wenn nicht jetzt, dann in vier Jahren in Rio", solle es mit der Medaille klappen. Vielleicht sogar mit Gold. Dann wäre sie die erste Athletin überhaupt, der ein Olympiasieg bei den Olympischen und den Paralympischen Spielen gelingt. Nach dem frühen Aus im Diskuswurf, hat Wyludda in London noch ein weiteres Eisen im Feuer, im wahrsten Sinne des Wortes. Denn zwei Tage später steht das Kugelstoßen an. Und da gibt es dann tatsächlich einen kleinen Hoffnungsschimmer auf Edelmetall. Dann, bei der Siegerehrung, wenn die Hymne erklingt und die Tränen laufen, wäre wieder alles wie früher.