1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das Bangen hat ein Ende

Peter Philipp19. Dezember 2005

Die vor gut drei Wochen im Irak entführte Archäologin Susanne Osthoff ist frei. Gerade vor Weihnachten sollte den Deutschen der Entführungsfall zum Nachdenken anregen, meint Peter Philipp.

https://p.dw.com/p/7elv
Susanne Osthoff war am 25.11.2005 von Unbekannten im Irak entführt wordenBild: dpa

Das Bangen um Susanne Osthoff hat ein Ende. Die Einzelheiten ihrer Verschleppung sind bisher ebenso wenig bekannt wie die ihrer Freilassung. Und sie werden vielleicht auch im Dunkel bleiben, um die Entführer zu schützen, die sich nach drei Wochen eines Besseren besannen.

Wichtig ist zumindest in den ersten Stunden nach der Freilassung nicht so sehr, den Tätern auf die Spur zu kommen oder ihre Motive zu erforschen. Von denen man bisher ja nur bruchstückweise weiß, dass sie nicht aus finanziellen und nicht aus politischen Gründen handelten, sondern weil sie die deutsche Archäologin für eine Spionin hielten. Welche Gründe auch immer: Keiner rechtfertigt die Entführung und Bedrohung von Zivilisten.

Die Freilassung kommt wie eine Erlösung für alle, die um Susanne Osthoff gebangt und die sich für die eigenwillige junge Frau eingesetzt hatten. Sie nimmt auch eine Bürde von der Bundesregierung, die trotz der deutschen Irak-Abstinenz plötzlich zur Zielscheibe geworden war. Eine Erfahrung, die die Franzosen schon früher hatten machen müssen, denn Franzosen – unter ihnen in erster Linie Journalisten – waren bereits wiederholt im Irak entführt worden. Obwohl Paris sich gemeinsam mit Berlin gegen den Irakkrieg engagiert hatte. Dies zeigt im Grunde nur, dass von Terrorismus niemand geschützt ist und dass es gerade ein Grundcharakteristikum des Terrorismus ist, blind gegen Unschuldige vorzugehen. Hauptsache, die Allgemeinheit wird terrorisiert und daran gehindert, durch menschliches Verhalten eine Normalisierung des Alltagslebens zu ermöglichen.

Susanne Osthoff gehörte zu den wenigen Ausländern im Irak, die sich durch solche Gefahren nicht einschüchtern ließen. "Besessenheit" nennen das die einen, "tiefes menschliches Engagement" die anderen. Was auch immer sie angetrieben hat: Es gibt zu wenige von diesem Schlag. Von Militärs abgesehen, sind die meisten Ausländer im Zweistromland Profiteure und Glücksritter, die in der verworrenen Situation in erster Linie zunächst ihren eigenen Vorteil suchen und denen das Los der Iraker ziemlich gleichgültig ist.

Wir sollten stolz sein auf die wenigen Aufrechten, die wie Susanne Osthoff versuchen, aus dieser Regel auszubrechen und sich selbstlos für die Menschen im Irak einzusetzen. So haben das aber in Deutschland anscheinend zu wenige gesehen. Denn im Gegensatz zu Frankreich oder Italien gab es hier keine Massendemonstrationen für die Freilassung der Entführten. Die Weihnachtsmärkte waren ganz offensichtlich wichtiger.

Auch dies sollte uns vielleicht eine Lehre sein: Es reicht nicht, gegen einen Krieg gestimmt zu haben, man muss sich auch um die Opfer kümmern. Susanne Osthoff tat dies und wurde dadurch selbst zum Opfer. Ihre Freilassung sollte uns wenigstens Anlass sein um Nachdenken. Gerade und erst recht in diesen Tagen vor Weihnachten.