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Quo vadis deutscher Radsport?

21. Juli 2010

Beim letzten deutschen Protour-Team Milram stehen am Saisonende die Räder still. Teammanager Gerry van Gerwen fand bisher keinen neuen Sponsor – was auch am miserablen Abschneiden seines Teams bei der Tour liegen könnte.

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Linus Gerdemann (Foto: dpa)
Abgekämpft, aber erfolglos: Linus GerdemannBild: picture-alliance / Augenklick/Roth

Lange hatte Gerry van Gerwen im Hintergrund gewirkt, hatte händeringend nach einem neuen Hauptsponsor gesucht. Ein belgischer Radhersteller war im Gespräch, dann doch wieder die Hoffnung auf eine Verlängerung des Vertrages mit der Nordmilch AG, zu der die Molkerei-Marke Milram gehört. Eine Situation, die an die verzweifelte Sponsorensuche von Hans-Michael Holczer beim Team Gerolsteiner 2008 erinnerte. Damals wie heute blieb die Suche erfolglos – wohl auch weil viele Unternehmen in Deutschland den dopingbelasteten Radsport nicht mehr als guten Werbeträger sehen.

Milram fährt hinterher

Einen großen Unterschied zum Aus von Gerolsteiner gibt es jedoch: den sportliche Erfolg. Während Stefan Schumacher und Bernhard Kohl zu (wie heute bekannt ist: gedopten) Erfolgen fuhren, haftet den Milram-Fahrern das Image der sympathischen und vielleicht sauberen Verlierer an. Bis zum zweiten Ruhetag der Tour enttäuschten die Fahrer in den blau gefleckten Trikots. Abgesehen von einem zweiten Platz Gerald Cioleks auf der fünften Etappe hagelte es Rückschläge und Kritik. Das Team verpasste beinahe jede Ausreißergruppe, liegt in der Mannschaftswertung auf dem letzten Platz, und die Klassementfahrer Linus Gerdemann und Christian Knees haben bereits mehr als zwei Stunden Rückstand auf das Gelbe Trikot.

Das Team Milram 2010 (Foto: dpa)
Das letzte Aufgebot: Das Team Milram enttäuschte 2010 und fährt auch bei der Tour hinterher.Bild: picture alliance/dpa

Gerry van Gerwen, der vor der Tour "werbewirksames Auftreten" gefordert hatte, tobte angesichts der enttäuschenden Leistung seiner Angestellten, denn deren Auftritt dürfte ihm die Verhandlungen mit potentiellen Geldgebern nicht gerade erleichtert haben. Bis zum zweiten Ruhetag der Tour wollte van Gerwen Klarheit schaffen und konnte doch nur Negatives berichten: "Bis heute habe ich keinen Sponsor gefunden. Nordmilch wird den Vertrag nicht verlängern", sagte der Niederländer auf einer Pressekonferenz in Tarbes. Er will seine Sponsorensuche nun noch bis September fortführen. Selbst wenn er bis dahin neue Geldgeber finden würde, steht seine Mannschaft längst vor dem Zerfall: Die Kapitäne Linus Gerdemann und Gerald Ciolek verhandeln mit anderen Teams und selbst der technische Direktor Christian Henn sprach offen über Abwanderungspläne: "Nach der Tour sind die ersten Fahrer weg. Danach finde ich hoffentlich auch etwas."

Milram-Manager Gerry van Gerwen
Erfolglose Sponsorensuche: Milram-Manager van GerwenBild: AP

Rückzug trotz lohnender Investition

Bei der Nordmilch AG zog man trotz des Rückzuges in einem Statement ein positives Fazit des Radsport-Sponsorings: Man habe den Bekanntheitsgrad der Marke Milram in Deutschland auf über 90 Prozent gesteigert und auch finanziell habe sich das Engagement gelohnt. Bei einem Mannschafts-Etat von sieben Millionen Euro errechnete der Sponsor einen Mediagegenwert von 50 bis 60 Millionen Euro. Dennoch fiel es der Nordmilch AG wohl zunehmend schwerer, ihren Bauern, die beim Milchpreis um jeden Cent kämpfen müssen, die Millionen-Investitionen in den Radsport zu erklären.

Defekt bei Fabian Wegmann (Foto: dpa)
Es klemmt beim Team Milram - Defekt bei WegmannBild: picture-alliance / Augenklick/Roth

Unerklärlich war zum Teil auch das bisherige Abschneiden der anderen deutschen Tourstarter: Allen voran Tony Martin, im Vorjahr noch als möglicher Jan Ullrich-Nachfolger gefeiert, enttäuschte: Der Columbia-Profi verlor am ersten schweren Berg den Anschluss an die Spitze und konnte diesmal auch nicht als Ausreißer überzeugen. "Ich muss genau analysieren, welche Fehler ich in der Vorbereitung gemacht habe. Vielleicht habe ich in der Vorbereitung einfach zu viel gemacht. Der Schuss ist nach hinten losgegangen", klagt Martin, der irgendwann einmal bei der Tour unter die besten Fünf fahren will. Auch Andreas Klöden konnte für seinen gescheiterten Kapitän Lance Armstrong nicht in die Bresche springen. Als Helfer überzeugten Allessandro Petacchis Sprint-Anfahrer Danilo Hondo sowie der nimmermüde Jens Voigt, der sich trotz Sturz in den Pyrenäen weiter für seinen Kapitän Andy Schleck aufopfern will. Solchen Kampfgeist hätte sich van Gerwen gewiss auch von seinen Schützlingen erhofft.

Autor: Joscha Weber

Redaktion: Stefan Nestler