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Darben im Überfluss

Insa Wrede19. Mai 2003

Während alle Welt Anteil nimmt am Wiederaufbau im Irak, findet die wirtschaftliche Lage der anderen arabischen Staaten kaum Aufmerksamkeit. Dabei ist das Wirtschaftswachstum dort alarmierend gering.

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Nur drei von vier Arabern können lesenBild: AP

Viele arabische Staaten sitzen auf immensen Ressourcen: Zwei Drittel der weltweiten Erdölreserven und ein Viertel der Erdgasreserven liegen im arabischen Raum. Um so mehr überrascht es, dass das Wirtschaftswachstum der arabischen Ländern geringer ausfällt als das anderer Entwicklungsländer: In den letzten zwanzig Jahren wuchs die Wirtschaft im Durchschnitt weniger als ein Prozent - in anderen Entwicklungsländern dagegen durchschnittlich um mehr als 3,5 Prozent.

Wo bleibt das Geld?

Auch die Arbeitslosigkeit ist im arabischen Raum mit 15 Prozent sehr hoch. Verschärft wird die Situation noch durch eine schnell wachsende Bevölkerung. Allein um genügend Arbeitsplätze für die kommenden Generationen zu schaffen, ist ein immenses Wirtschaftswachstum nötig. Angesichts der großen Erdölreserven müsste das eigentlich zu bewältigen sein.

Ölpipeline in Suspa
Bild: AP

Nur warum ist das Wachstum bislang so gering gewesen? Denn Geld gibt es genug aus dem profitablen Ölgeschäft. "Die Frage ist, worin investiert wird", erklärt Jürgen Matthes vom Institut der deutschen Wirtschaft. "Wird das Geld - wie in dem einen oder anderen arabischen Staat durchaus üblich - in eine pompöse Staatsführung investiert oder fließt es in Bildung, Infrastruktur oder Produktionsanlagen?"

Stiefkind Bildung

Eines ist offensichtlich: In Bildung fließt das Geld offenbar nicht vorrangig. 65 Millionen Menschen im arabischen Raum - ungefähr jeder Vierte - können nicht lesen und schreiben. Auch Impulse von außen kommen nur spärlich: Jährlich werden gerade mal 330 Bücher in die arabische Sprachen übersetzt. Allein Griechenland übersetzt fünf mal so viele Bücher ins Griechische. Und: Von 10.000 Einwohnern haben nur zwei einen Internetanschluss - das sind 0,02 Prozent der Bevölkerung. In Industrieländern geht dagegen jeder achte online.

Ausufernde Bürokratie

Ausländische Unternehmer halten sich mit Investitionen in arabischen Staaten zurück. Zu unsicher sind die Rahmenbedingungen, zu aufgebläht die Bürokratie. Beispielsweise müssen in Ägypten 17 Bewilligungen eingeholt werden, bevor ein Unternehmen gegründet werden darf. In der Schweiz dagegen eine. Um ein Grundstück zu kaufen, müssen 77 Verwaltungsschritte bei 31 Ämtern bewältigt werden - das kann bis zu 14 Jahren dauern. Zu lange für internationale Unternehmen.

Aktenstapel in einem Büro
Bild: Bilderbox

Viel Geld muss zudem dafür ausgegeben werden, um sich mit den Macht-Eliten auf guten Fuß zu stellen. Das alles hemmt sowohl arabische als auch ausländische Unternehmen. Reformbedarf sieht Jürgen Matthes noch in anderen Bereichen. "Was die Importmöglichkeiten betrifft sind die Handelsschranken immer noch relativ hoch", berichtet er. "Zölle und auch sogenannte nicht-tariffäre Handelshemmnisse, also Verwaltungsprozeduren, sind in vielen Staaten recht aufwendig."

Handelsvolumen gering

Während sich weltweit der Umfang der Exporte in den letzen zwanzig Jahren verdreifacht hat, ist er im arabischen Raum gesunken. Exportiert wird früher wie heute hauptsächlich Öl. Sinkt der Ölpreis, verringern sich auch die Export-Erlöse. Voraussetzung für den Handel mit Gütern sind nicht nur offene Märkte, sondern auch funktionierende Finanzmärkte. "Der Islam hat ja ein anderes Bankenrecht mit dem islamischen Zinsverbot", erläutert Matthes. "Das ist ein Systemunterschied, der es nicht ganz einfach macht, mit westlichen Finanzzentren eng zusammenzuarbeiten." Daher ist Jürgen Matthes der Meinung, dass nicht nur im Irak, sondern auch in anderen arabischen Ländern dringend Wirtschaftsreformen notwendig sind.