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Darüber lacht Frankreich

19. Juni 2009

Wie lachen Franzosen, was ist für sie guter Humor und wie definiert ein französischer Kultkomiker die landeseigene Spaßkultur - auf den Spuren des französischen Humors.

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Haben ihren Spaß: Drei lachende junge Leute sitzen auf einer Wiese (1988)
Was bringt Franzosen zum Lachen?Bild: picture-alliance / dpa

Es ist ein sonniger Sonntagnachmittag in der Pariser Innenstadt - der erste seit langem. Dominique spaziert mit strahlendem Lächeln zusammen mit seiner Freundin am Canal Saint Martin entlang. Er lacht gerne und viel, ist sich aber nicht sicher, ob es den französischen Humor wirklich gibt. "Wenn ich ehrlich bin, gibt es den typischen französischen Humor irgendwie nicht. Wir haben die französische Mode, die französische Küche, aber nicht wirklich einen speziellen Humor", meint Dominique.

Gibt es wirklich keinen "französischen Humor"?

Ein Clown bei thailändischen Kindern (DW, 2005)
Humor ist relativ und kulturbedingtBild: DW

Ortswechsel ins Pariser Marais - weiter auf der Spurensuche. Das Marais ist eines der buntesten Pariser Stadtviertel. Ein älterer Herr mit einem rundlichen Bauch steht vor seiner Galerie, raucht eine Zigarette und blinzelt in die Sonne, während er über den französischen Humor sinniert. "Eine gute Flasche Wein, mehr braucht man nicht und jeder ist lustig. Aber im Ernst, ich bin mir sicher, dass es ihn gibt, den typischen französischen Humor!" Doch in Worte fassen kann er ihn nicht.

Zwei Straßen weiter ist Cédrine gerade mit ihrer Freundin unterwegs zum Seine-Ufer und hat eine Antwort. "Vielleicht ist der Zynismus typisch für französischen Humor. Wir haben einen schroffen Humor. Das ist es!"

Scharfe französische Zungen

Auf der Suche nach zynischem Humor wird man am französischen Zeitungskiosk fündig: "Charlie Hebdo" und "Le Canard enchaîné" heißen die großen Satirezeitungen Frankreichs. Sie sind nicht nur lustig, sondern auch einflussreich und Bastionen des investigativen Journalismus. Schon so mancher Politiker geriet durch ihre gut recherchierten Enthüllungsberichte ins Straucheln. Der politische Humor hat eine lange Tradition in Frankreich und wird als Garant der demokratischen Meinungsfreiheit hoch geschätzt.

Stéphane Guillon ist ebenfalls eine wahrhafte Institution dieses Polithumors. Neben zahlreichen Fernsehauftritten versüßt er Frankreich drei Mal wöchentlich beim Radiosender "France Inter" um kurz vor acht Uhr den Morgen mit seinem Kommentar zur aktuellen Lage der Politik und Gesellschaft.

Warum lieben die Franzosen seine Scherze? Er selbst meint dazu, dass er versuche, die Sachen zu sagen, die die Franzosen sonst nirgendwo anders hören. "Humor ist für mich das Überschreiten von Limits, das Aussprechen von Tabus. Ich gehe stets an die Grenzen des guten Geschmacks und des politisch Korrekten."

Humor nah an der Grenze zum Boshaften

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy gestikuliert (01.09.2004/AP Photo/Franck Prevel)
Nicolas Sarkozy ist der Humor des französischen Kultkabarettisten Guillon zu vielBild: AP

Stéphane Guillon nimmt nie ein Blatt vor den Mund, das ist sein Markenzeichen. So auch nicht, als Dominik Strauss Kahn, der Präsident des Internationalen Währungsfonds, Gast im Morgenmagazin von "France Inter" war: "In wenigen Minuten wird Dominique Strauss Kahn in dieses Studio 'eindringen'. Es ist das erste Mal, dass er Frankreich betritt seit einem Abenteuer mit einer Ungarin, die für die Kopiermaschine beim IWF verantwortlich ist. Es ehrt uns sehr, dass er uns für dieses erste Interview auserkoren hat", amüsiert sich Guillon.

Dominique Strauss Kahn war höchst erbost und selbst Präsident Sarkozy bezeichnete nach dieser Sendung, die in Frankreich Kultstatus genießt, Guillons anzüglichen Humor als unzumutbar. Muss politischer Humor in Frankreich denn zwangsläufig bissig, ja fast schon böse sein?

"Ich glaube, Humor ist nie böse", meint Guillon. Das sei eine ewige Lüge. "Ich versuche das immer zu erklären: Der Überbringer einer schlechten Nachricht ist doch nicht böse, sondern die Nachricht selbst. Wir Humoristen halten der Wirklichkeit nur einen Vergrößerungsspiegel vor."

Autor: Paul Fehlinger
Redaktion: Nicole Scherschun / Mareike Röwekamp