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Düstere Zukunft

Tina von Löhneysen, Washington20. September 2004

Je näher die Wahl in den USA rückt, desto mehr Untersuchungen über den Irak werden veröffentlicht oder wieder ausgegraben. Ihr Thema: Wer hat wann warum was entschieden und vor allem – war diese Entscheidung legitim?

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Vermutlich wird es noch viele Untersuchungen zum Krieg im Irak geben, dazu ob er berechtigt war oder nicht. Eine eindeutige Antwort bringen sie bis jetzt nicht. Die neuste Studie ist noch nicht einmal offiziell veröffentlicht -

Regierungsmitglieder haben lediglich eine Vorab-Version – doch schon wird sie in den Medien diskutiert. Die Untersuchung des amerikanischen Waffeninspekteurs Charles Duelfer sagt zweierlei: Es gibt nach wie vor keine Beweise dafür, dass der Irak im großen Stil Waffen produziert hat, als die USA ihn angriff. Gleichzeitig sagt sie aber auch: Saddams Hussein hatte sehr wohl den Plan, chemische und biologische Waffen herzustellen.

Studie für den Wahlkampf

Die Studie passt hervorragend in die Wahlkampf-Strategie beider Präsidentschafts-Kandidaten. Der republikanische Präsident George W. Bush wird sie vermutlich heranziehen, um seine These zu belegen, dass der Irak unter Saddam Hussein gefährlich war. Ob der Diktator nun tatsächlich Waffen produziert hat oder nicht, das ist egal.

Fest steht nach der Untersuchen: Er hatte es vor und war damit für die Welt gefährlich. Im Wahlkampf betonte Bush bereits mehrfach: "Vergesst nicht, Saddam Hussein hatte die Möglichkeit Waffen herzustellen, er hätte diese Möglichkeiten an den Feind weitergeben können." Mit dem Feind meint Bush die Terroristen.

Der demokratische Herausforderer John Kerry wird die Studie vermutlich heran ziehen, um zu belegen, dass Bush kein Recht hatte, den Irak anzugreifen. Denn es gibt immer noch keine Beweise dafür, dass der Irak tatsächlich Massenvernichtungswaffen besaß.

Düsteres Bild

Zeitgleich mit der Studie des Waffeninspekteurs Duelfer ist eine Geheimdienst-Untersuchung aus dem Juli 2003 wieder in den Medien aufgetaucht, die ein düsteres Bild für die Zukunft des Iraks zeichnet. Die Studie lag der

Regierung bereits im Sommer vor und informierte sie darüber, dass die Zukunft des Iraks bestenfalls eine "sehr zerbrechliche Stabilität" sein könne. Im Negativbereich - so die Studie weiter - sei alles möglich im Irak, auch ein Bürgerkrieg.

Ähnlich pessimistisch zeigen sich mittlerweile auch andere Experten. Der Wissenschaftler Michäl O’Henlon vom Forschungsinstitut Brookings in Washington hatte den Irak vor einem halben Jahr noch auf dem Weg in den Frieden gesehen. Vergangene Woche zog er diese Bewertung zurück und gab zu: "Ich habe mich vertan. Mittlerweile würde ich sagen: Selbst wenn die USA den Irak in einer sehr angespannten Situation sich selbst überlässt, wäre das noch ein annehmbares Ergebnis."

Ziel nicht erreicht

Trotz der ernüchternden Faktenlage behauptet die Bush-Regierung noch immer, dass die "Freiheit für den Irak unterwegs" sei. Und das obwohl das Grundziel noch lange nicht erreicht und anscheinend kaum noch zu erreichen ist.

Nach der Kriegsgrunddebatte über einen gefährlichen Diktator und angebliche Massenvernichtungswaffen hat sich in den USA eine neu Kriegszieldebatte entwickelt. In der nimmt das Land auf leisen Sohlen Abschied von den hehren und optimistischen Zielen. Nun gilt es schon als Erfolg, wenn im Januar in Teilen des Irak Wahlen stattfänden. Von stabilen Verhältnissen und einer Demokratie im Herzen des Nahen Ostens ist kaum noch die Rede.