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Dämpfer für Merkel

7. Dezember 2004

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel ist mit einem unerwartet schlechten Ergebnis im Amt bestätigt worden. Stattdessen erntete sie scharfe Kritik. Auch die Frage über eine Kanzlerkandidatur Merkels bleibt offen.

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Enttäuscht: Angela Merkel nach ihrer RedeBild: AP

Beim CDU-Bundesparteitag in Düsseldorf stimmten am Montag (6.12.2004) nur 88,4 Prozent der Delegierten für die Angela Merkel. Für die 50-Jährige, die ohne Gegenkandidaten angetreten war, entschieden sich 839 von 949 Delegierten, gegen sie 110. Bei ihrer ersten Wahl zur CDU-Bundesvorsitzenden im Jahr 2000 in Essen hatten sich noch 95,9 Prozent der Delegierten für die frühere Bundesumweltministerin entschieden.

Merkel, die die Partei zuvor zum Angriff auf Rot-Grün aufgerufen hatte, reagierte sichtlich enttäuscht. Nach dem monatelangen Streit über die Gesundheitsreform mit der CSU nannte die CDU-Spitze das Votum "ehrlich". Für die erwünschte Aufbruchstimmung des Parteitags sei Merkels Ergebnis aber "nicht hilfreich", hieß es. Der ehemalige CDU-Chef Wolfgang Schäuble kritisierte in der "Märkischen Allgemeinen"-Zeitung Merkels Rede in ungewöhnlich deutlicher Form als "schlecht". Die CDU werde sich bei Parteitagen noch irgendwann nach Helmut Kohl zurücksehnen.

CSU-Generalsekretär Markus Söder sagte nach der Abstimmung, es bleibe bei dem vereinbarten Fahrplan, erst Anfang 2006 über die Kanzlerkandidatur zu entscheiden. Dies bekräftigte auch der nordrhein-westfälische Landeschef Jürgen Rüttgers für die CDU: "Solche Fragen werden nicht nebenbei auf einem Parteitag entschieden."

Auch einige Stellvertreter enttäuschen

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, rechts, und Generalsekretaer Laurenz Meyer, links, besichtigen am Sonntag, 5. Dezember 2004, in der Messe in Duesseldorf das Plenum des CDU-Parteitages
Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel, rechts, und Generalsekretaer Laurenz Meyer, kurz vor Beginn des ParteitagesBild: AP

Die vier Stellvertreter Merkels wurden in ihren Ämtern bestätigt. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff schnitt mit 86,9 Prozent der gültigen Stimmen am besten ab. Jürgen Rüttgers, Nordrhein-Westfalens CDU-Chef, erhielt 79,3 Prozent. Die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan kam auf 78,5 Prozent und musste diesmal deutliche Stimmenverluste hinnehmen. Vor zwei Jahren erreichte sie noch 93,8 Prozent. Der rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Christoph Böhr auf 55,4 Prozent der gültigen Stimmen. Die CDU wertet Enthaltungen als ungültige Stimmen. Bis auf Rüttgers erhielten auch Merkels Stellvertreter schwächere Ergebnisse als vor zwei Jahren.

Das Aus kam für den Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Hermann-Josef Arentz. Arentz musste kürzlich einräumen, vom Energiekonzern RWE Geld und Strom ohne Gegenleistung kassiert zu haben. Nachdem er nur 33,8 Prozent der Stimmen (nötig für die Wahl im ersten Durchgang waren mindestens 50 Prozent) erreichte, verzichtete Arentz darauf, noch einmal in einem zweiten Wahlgang anzutreten. Statt seiner rückte die niedersächsische Sozialministerin Ursula von der Leyen in die Führungsriege der CDU auf.

Schäuble erstarkt

In den Vorstand wurde erstmals eine türkisch-stämmige Frau gewählt: die Ausländerbeauftragte des Berliner Bezirks Tempelhof-Schöneberg, Emine Demirbüken-Wegner. Bemerkenswert gut war auch das Ergebnis für den ehemaligen Parteichef Wolfgang Schäuble mit 88,4 Prozent. Wesentlich schwächer als vor zwei Jahren schnitt Hessens Regierungschef Roland Koch mit 72,4 Prozent ab. Finanzexperte Friedrich Merz kandidierte nicht wieder, wurde aber von den Delegierten mit großem Beifall gefeiert. Das Zerwürfnis mit Merz gilt in der Partei als einer der Hauptgründe für das schlechtere Wahlergebnis von Merkel.

Merkel hatte die CDU zuvor darauf eingeschworen, die Union zur treibenden Kraft in einem tief greifenden Reformprozess zu machen. Den Delegierten rief sie angesichts der Verluste in den jüngsten Umfragen zu: "Von heute an heißt es: Attacke auf die anderen, Feuer eingestellt auf uns selbst!" In Deutschland müsse es grundlegende Änderungen geben. "Unserem Land geht es schlecht, weil unser Land unter Wert regiert wird." Damit müsse mit den Bundestagswahlen im September 2006 Schluss sein.

Scharfe Töne gegen türkischen EU-Beitritt

Merkel stellte den konservativen Kern der CDU-Programmatik in den Mittelpunkt ihrer Rede. "Es muss bewahrt werden, was das Land voran bringt, und verändert werden, was das Land belastet." In ihrer großenteils nachdenklichen und teilweise emotionalen Rede mahnte Merkel, Werte wie Stolz auf das Vaterland und Leistung nicht klein oder schlecht zu machen. Erneut verwarf sie die Idee einer multikulturellen Gesellschaft. In schärferer Form als bisher wiederholte Merkel ihre Ablehnung eines EU-Beitritts der Türkei. (stl)