1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Córdova: "Möchte meine eigene Geschichte schreiben"

Mathias von Lieben
20. September 2017

Mit Sergio Córdova hat der FC Augsburg vor der Saison den begehrtesten Nachwuchsspieler Venezuelas verpflichtet. Im DW-Interview spricht er über seinen Kulturschock, deutsches Essen und die Fußstapfen von Juan Arango.

https://p.dw.com/p/2jzbW
Sergio Cordova
Bild: picture-alliance/nordphoto/Schreyer

Córdova: "Eigene Geschichte schreiben"

DW: Herr Córdova, Sie sind jetzt seit knapp zwei Monaten in Deutschland? Vorher haben Sie ausschließlich für den FC Caracas in Venezuela gespielt. War der Wechsel nach Augsburg auch mit einem Kulturschock verbunden?

Sergio Córdova: Ja. Zumindest ein bisschen. Augsburg ist eine schöne Stadt, es ist nur ziemlich kalt hier. In Venezuela haben wir eigentlich fast immer um die 30 Grad. Und in Südamerika sind die meisten Menschen ja insgesamt etwas lockerer drauf. Die Menschen in Deutschland sind sehr freundlich, sehr fleißig und - wie alle Deutschen - legen sie viel Wert auf Pünktlichkeit. Aber daran werde ich mich auch noch gewöhnen. Ich bin gerade dabei das alles zu lernen: pünktlich sein, Verantwortung übernehmen. Wenn ich das alles verinnerlicht habe und die Sprache beherrsche, hilft mir das bestimmt noch mal weiter.

Ihr Trainer, Manuel Baum, hat in einem Interview gesagt, dass Sie sehr wissbegierig sind und er Sie andauernd mit einem Übersetzungsbuch in der Hand sieht. Stimmt das?

Naja, ganz ehrlich: Wenn ich vom Deutsch-Unterricht komme, habe ich eigentlich immer Kopfschmerzen. Ich bin das nicht mehr gewohnt. Ich habe in Venezuela wirklich schon viel gelernt in der Schule und jetzt komme ich hier an und muss schon wieder lernen (lacht). Aber ich will die Sprache ja schnell lernen, damit ich mich mit meinen Mitspielern und dem Trainerteam besser verständigen kann. Bisher muss mein Freund Matthias [Matthias Kipke ist Scout und Dolmetscher beim FC Augsburg, Anm. d. Red.] mir ganz oft noch helfen. Irgendwann will ich ihm aber sagen: Ich mache das jetzt alles alleine. Ich kann mich jetzt selbst auf Deutsch unterhalten.

Können Sie schon ein paar Wörter oder Sätze auf Deutsch sagen?

Klar. Guten Morgen, Guten Tag, Guten Abend, Hallo, Gute Nacht. Wie geht's? So Kleinigkeiten eben.

Was sind die größten Unterschiede zwischen Venezuela und Deutschland, die Ihnen bislang sonst noch aufgefallen sind?

Da gibt es so einige. Das Essen ist hier zum Beispiel ganz anders. Oder die Musik. Aber auch die Menschen: Sie sehen anders aus und kleiden sich anders. Eigentlich ist hier alles ganz anders als in Venezuela. Aber wenn ich einmal die Sprache gelernt habe, dann verstehe ich diese kulturellen Eigenheiten vielleicht auch viel besser.

Schmeckt dir das deutsche Essen?

Ja. Aber das venezolanische Essen ist auch sehr lecker (grinst).

Sportlich hatten Sie einen ziemlich guten Start hier. Gegen Borussia Mönchengladbach haben Sie nach Ihrer Einwechslung in der Nachspielzeit gleich schon den wichtigen 2:2-Ausgleich für Augsburg erzielt. Wie viele Tore haben Sie sich zum Ziel gesetzt für Ihre erste Bundesliga-Saison?

Ich will in meiner ersten Saison zehn Tore schießen. Wenn das funktioniert, dann wäre das schon richtig stark. Wenn nicht, dann greife ich in meiner zweiten Saison eben noch mal an. Ich habe gar nicht gedacht, dass ich überhaupt schon so schnell meine Spielzeit bekomme. Ich freue mich, wenn ich der Mannschaft auf dem Platz helfen kann.

Sergio Cordova
Artistisch: Gegen Gladbach ist Córdovas Fallrückzieher zwar noch nicht erfolgreich, später erzielt er aber das 2:2Bild: picture-alliance/dpa/S. Puchner

Zehn Tore könnte der FC Augsburg nach dem Fast-Abstieg in der vergangenen Saison ganz gut gebrauchen. Was ist mit der Mannschaft in diesem Jahr drin?

Wir haben eine gute Mannschaft und sind auch ganz ordentlich in die Saison gestartet. Wir haben auch am ersten Spieltag gegen Hamburg ein wirklich tolles Spiel abgeliefert. Mit etwas mehr Glück hätten wir auch da schon was holen können. Die Mischung bei uns im Team aus erfahrenen und talentierten Nachwuchsspielern ist super. Ich glaube, dass wir in dieser Saison erfolgreicher sein werden als letzte Saison.

Kommt die Bundesliga Ihrem Spielstil entgegen oder brauchen Sie noch mehr Eingewöhnungszeit?

Die Bundesliga ist zusammen mit der englischen Premier League eine der besten Ligen in der Welt. Die Mannschaften sind hier alle auf einem wirklich guten Niveau und ich glaube, dass es nicht einfach wird, sich hier durchzusetzen. Aber ich gewöhne mich von Tag zu Tag immer mehr an den Rhythmus. Ich bin ein schneller, großer und kräftiger Stürmer, der sich täglich weiterentwickeln will.

Im Sommer haben Sie bei der U20-Weltmeisterschaft mit Venezuela für viel Furore gesorgt und sind Zweiter geworden. Sie selbst haben vier Tore geschossen. Wie war diese Erfahrung?

Großartig. Es war das erste Mal, dass wir uns mit Venezuela für ein Finale bei einer FIFA-Weltmeisterschaft qualifiziert haben. Und da konnte ich dabei sein. Das war schon der Hammer. Besonders, weil wir eine super Stimmung in der Mannschaft hatten. Das Turnier war bisher der prägendste Moment meiner Profi-Karriere.

Während der Länderspielpause haben Sie sogar erstmals für die A-Nationalmannschaft Venezuelas gespielt und durften gegen Kolumbien (0:0) und Argentinien (1:1) gleich zweimal von Beginn an auflaufen. Was bedeutet es für Sie, für Ihr Heimatland Venezuela aufzulaufen?

Es macht mich unglaublich stolz. Alle Menschen in Venezuela fiebern ja mit der Nationalmannschaft mit. Unser Team macht gerade eine spannende Entwicklung und wir träumen alle von der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Vielleicht spielt Venezuela dann ja sogar eine große Rolle. Die Zeit dafür war nie so gut wie jetzt. Wir haben ein sehr interessantes Projekt mit vielen jungen Spielern, die sich richtig schnell weiterentwickeln. Und ich hoffe natürlich, dass wir den venezolanischen Fußball so auf ein neues Level heben können.

Sergio Cordova, Mathias Oliver
Mit der venezolanischen U-20-Nationalmannschaft wird Sergio Córdova bei der WM in Südkorea ZweiterBild: picture-alliance/AP Photo/A. Young-joon

Juan Arango, der ehemalige Mittelfeldspieler von Borussia Mönchengladbach, hat die venezolanische Nationalmannschaft zu seiner aktiven Zeit bereits auf ein neues Level gehoben und war ein gefeierter Star im Land. Sind Sie der neue Juan Arango?

Nein, das glaube ich nicht (lacht). Juan Arango ist ja ein ganz anderer Spielertyp. Er ist bislang der beste und bekannteste Spieler, den Venezuela je hatte. Aber ich will Sergio Córdova sein und nicht Juan Arango, Thomas Rincón oder Salomón Rondón. Ich möchte meine eigene Geschichte schreiben, meine eigenen Tore schießen - ohne ständig mit den anderen verglichen zu werden. Über Vergleiche und alles andere können die Medien und die Menschen spekulieren.

Wenn Sie über Venezuela sprechen, haben Sie dann Heimweh?

Ja, sehr. In Venezuela sind ja alle meine Freunde und meine ganze Familie. Ich vermisse sie schon jetzt sehr.

Haben Sie noch Kontakt zu Ihren ehemaligen Mitspielern vom FC Caracas?

Ich bin eigentlich die ganze Zeit mit denen in Kontakt und wir tauschen uns aus über unsere Erfahrungen. Dass sie mich trotz der weiten Entfernung noch so sehr unterstützen, bedeutet mir sehr viel und gibt mir richtig viel positive Energie. Auch wenn ich nicht zu Hause bin, habe ich durch den Kontakt manchmal trotzdem das Gefühl, ich wäre es.

Sergio Córdova (20 Jahre alt) ist ein venezolanischer Fußballspieler und seit Beginn dieser Saison als Stürmer beim FC Augsburg unter Vertrag. Zuvor hat er ausschließlich in Venezuela gespielt und lief von 2013 bis 2017 für den Hauptstadtklub FC Caracas in der ersten venezolanischen Liga auf. Ende August 2017 hat er sein Debüt in der A-Nationalmannschaft gegeben.

Das Interview führte Mathias von Lieben.