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Politik

Cyberraum ist gefährlicher geworden

Richard A. Fuchs
24. Mai 2017

Die Auswirkungen des Erpressungstrojaners WannaCry sind noch in frischer Erinnerung. Da wird in Berlin zum vierten Mal der Cyber-Sicherheitsindex vorgestellt. Seine Botschaft: Die Bedrohungen im Internet nehmen zu.

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Deutschland Weltweite Cyber-Attacke - Hauptbahnhof Chemnitz
WannaCry-Cyperangriff legte auch Bahnhofsanzeigen in Deutschland lahmBild: picture-alliance/dpa/P. Götzelt

Für Verbraucher mag es egal sein, ob der jüngste Cyberangriff mit dem Erpressungstrojaner WannaCry von Nordkorea oder von einem anderen Hackerparadies durchgeführt wurde. Die Auswirkungen solcher Attacken auf private Nutzer, Unternehmen und Behörden sind jedoch längst zu einer massiven Bedrohung für die Wirtschaft und das öffentliche Leben geworden.

"Diese Bedrohung durch Cyberattacken hat sich im vergangenen Jahr noch einmal deutlich verschärft", sagt Thomas Kremer, Vorstandsmitglied des Vereins "Deutschland sicher im Netz"(DsiN), der am Mittwoch in Berlin den vierten Cyber-Sicherheitsindex vorgestellt hat. Der Bericht wurde auf Grundlage einer repräsentativen Umfrage unter 2007 Internetnutzern von dem Meinungsforschungsinstitut Kantar TNS erstellt und soll ein Lagebild der digitalen Bedrohungen aufzeigen. Befragt wurden dafür Onlinenutzer ab 16 Jahre.

Das Internet der Dinge schafft mehr Angriffspunkte

Eine Kernbotschaft des Berichts lautet: Die Verbraucher nehmen immer mehr und immer professionellere Cyberattacken wahr. Thomas Kremer, der neben seinem DsiN-Vorstandsposten auch Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom ist, führt diese erhöhte Bedrohungslage auch auf die Einführung des Internets der Dinge zurück, also auf die Tatsache, dass immer mehr Alltagsgegenstände wie etwa Kaffeemaschinen, Temperaturregler für Heizungen oder auch Hundehalsbänder mit dem Internet verbunden sind. "Wo Mensch und Maschine stärker miteinander vernetzt werden, da gibt es auch mehr Angriffspunkte für Attacken", so Kremer. Für den diesjährigen DsiN-Sicherheitsindex bedeutet dies: Auf einer Skala von 0 bis 100, wobei 0 das schlechteste Schutzniveau und 100 das Beste wäre, liegt der Index in diesem Jahr bei 61,1 Punkten. Im vergangenen Jahr hatte er noch 65,4 Punkte betragen - in anderen Worten: Das Schutzniveau fällt, bei zeitgleich deutlich gestiegener Bedrohung.

Deutschland Dr. Thomas Kremer Vorstandsmitglied Datenschutz Recht und Compliance kommissarischer Leiter Vorstands
Er steht der Initative "Deutschland sicher im Netz" vor: Thomas Kremer, Vorstandsmitglied Deutsche Telekom AGBild: imago/Sven Simon

Es gibt immer mehr gut informierte, aber fahrlässige Nutzer

Die gute Nachricht lautet: Mit der Bedrohung ist in der Bevölkerung auch das Wissen um die Risiken von Angriffen gewachsen. Zum dritten Mal in Folge zeigt der Sicherheitsindex diesen Trend. Entwarnung bedeute dies aber keinesfalls, sagt Hartmut Scheffler, Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Kantar TNS. Denn: "Bei den meisten Verbrauchern fallen Sicherheitswissen und Sicherheitsverhalten erkennbar auseinander."  So gehöre etwa die Zahlenreihe 12345 zu Deutschlands beliebtesten, wenn auch unsichersten Passwörtern.

Deutschland Hartmut Scheffler
Hartmut Scheffler ist Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Kantar TNSBild: picture alliance/dpa/T. Brakemeier

Besonders gefährdet: Ältere und junge Fatalisten

Besonders auffällig sei, so die Autoren der Studie, dass sich eine Kluft zwischen verschiedenen Verbrauchergruppen herausbilde. Der Bericht teilt die digitalen Nutzer in vier Untergruppen ein, die sich nach dem Grad der IT-Kenntnis unterscheiden. Unterschieden wird zwischen außenstehenden,  fatalistischen, gutgläubigen und  souveränen Nutzern. Einzig die "souveränen" Nutzer könnten sich schützen, besonders gefährdet seien hingegen die "Außenstehenden", die "Fatalisten" und die "Gutgläubigen".

"Fatalisten" seien tendenziell junge Nutzer, die über ein hohes Maß an Sicherheits-Know-How verfügten, es aus Bequemlichkeit aber nicht anwenden wollten. Ihr Motto scheine: Ich weiß, was ich tun sollte, aber ich mache es einfach nicht. Die Gelegenheits-Internetnutzer, die sogenannten Außenstehenden, drohten in Sachen IT-Sicherheit sogar abgehängt zu werden. 

Deutschland medizinische Versorgung im Zeitalter der Digitalisierung
Auch die Gesundheitsversorgung wird immer digitalerBild: picture alliance/dpa/H. Schmidt

IT-Sicherheit muss Schlüsselkompetenz werden

Um das Sicherheitsgefälle zu bekämpfen, raten die Studienautoren zu besserer Aufklärung. Rund 60 Prozent der Verbraucher bräuchten Unterstützung, um ihre IT-Sicherheit auf ein erträgliches Niveau zu bekommen. Die Botschaft an Politik und Gesellschaft ist daher eindeutig, sagt Thomas Kremer:  "IT-Sicherheit und Schutz von Daten müssen Bestandteile des Schulunterrichts in Deutschland werden." Aufklärung dürfe man aber nicht nach dem "Prinzip Gießkanne" betreiben. Sie müsse auf die vier Verbrauchergruppen passgenau zugeschnitten werden. Dies sollte die Bundesregierung auch bei der Umsetzung der im November 2016 verabschiedeten Cyber-Sicherheitsstrategie beachten. "Immer komplexere technische Vorgänge machen es den Verbraucher unmöglich, sich ganz auf sich alleine gestellt zu schützen", sagt Staatssekretär Ulrich Kelber aus dem Verbraucherministerium. Kelber fordert deshalb, dass Politik und Gesellschaft auch die Anbieter digitaler Dienste in die Pflicht nehmen. Weil sie Nutzern digitale Dienstleistungen zur Verfügung stellten, hätten sie eine hohe Verantwortung. Schon im nächsten Schuljahr soll das Pilotprojekt "Digitale Bildung trifft Schule" gestartet werden. Dabei will der Verein DsiN Schulklassen beim Erwerb von digitalen Sicherheitskompetenzen unterstützen.  Zusätzlich brauche es mehr finanzielle Mittel, um professionelle Aufklärungsarbeit bezahlen zu können, so Vorstandsmitglied Kremer. "Digitale Sicherheit gibt es nicht umsonst."

Ulrich Kelber
Ulrich Kelber ist Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für VerbraucherschutzBild: picture-alliance/ZB