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Stichwort

14. Juli 2009

Der Begriff "Finanzkrise" ist für viele deutsche Kommunen keine Angelegenheit der internationalen Banken, sondern hat sie und ihre Bürger in der Realität eingeholt.

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Menschen gehen in der Fußgängerzone in der Innenstadt von Gelsenkirchen
Notleidende Kommunen - hier die Innenstadt von GelsenkirchenBild: dpa

Ein Beispiel dafür ist das Cross-Border-Leasing, ein risikoreiches Finanzgeschäft mit amerikanischen Investoren. Nach Schätzungen des Bundes der Steuerzahler gibt es über 200 solcher Verträge: Deutsche Städte verkauften etwa ihr Abwasserkanalnetz oder ihre Schulen an amerikanische Investoren und mieteten sie dann zurück. Das brachte dank einer Lücke im amerikanischen Steuergesetz einen Steuervorteil für die Käufer, die diesen mit den Kommunen teilten.

Immer höhere Zinsen

Der Haken an der Sache: Nun ist die Versicherungsagentur AIG, einst der größte Rückversicherer weltweit, pleite. Der Versicherer stand für die meisten Deals gerade und die deutschen Kommunen müssen nun Geld aufnehmen, um neue Sicherheiten ankaufen zu können um ihre Verträge zu erfüllen. Die Kredite gehen zu Lasten der städtischen Kassen. So dreht sich die Finanzmisere der Kommunen im Kreis mit immer höheren Zinsen.

Hinzu kommt, dass der US-Kongress die Gesetzeslücke, die den ganzen Handel ermöglicht hatte, 2004 geschlossen hatte und dass in den Vereinigten Staaten nun von Missbrauch des Steuerrechts die Rede ist. Ob auch die deutschen Kommunen dafür haften müssen ist noch nicht bekannt.

Verluste in Millionenhöhe

Viele haben inzwischen entschieden sich aus den Verträgen wieder freizukaufen, und beklagen nun Verluste in Millionenhöhe. Dafür können die deutschen Kommunen dann wieder selbst bestimmen, wann und wie ihre Schulen saniert werden – und müssen nicht bei den amerikanischen Investoren um Erlaubnis bitten.

Zunächst haben die Städte jedoch mit den entstandenen Schulden zu kämpfen, so erlitten Bochum und Gelsenkirchen jeweils geschätzte 6 Millionen Nettoverlust durch die riskanten Finanzgeschäfte der Kommunalpolitiker.

Doch das Cross-Border-Leasing ist nur ein Grund für die finanzielle Misere der Kommunen seit der Finanzkrise. Hinzu kommt noch in meist ohnehin strukturschwachen Regionen der Rückgang von Steuereinnahmen wie der Gewerbesteuer, die in Deutschland jede Firma an ihre Kommune abtreten muss. Die einbrechenden Auftragszahlen in den Firmen bekommen die Kommunen somit direkt zu spüren. Schätzungen gehen von einem Rückgang von 20 Prozent aus.

5922 Euro Schulden auf jeden Einwohner

Das bedeutet: Schulen und Verkehrwege können nicht mehr saniert werden, und auch der Preis für Trinkwasser steigt an. All diese ansonsten in Deutschland üblichen Versorgungen durch die Kommunen sind dabei auch der Wettleidenschaft von Kommunalpolitikern zum Opfer gefallen: Mit Wetten auf Zinsverläufe hofften sie das große Geld zu machen. Stattdessen verloren sie die Wetten, und blieben auf den Verlusten sitzen. So in Hagen, wo über 50 Millionen verloren gingen und nun auf jeden Einwohner 5922 Euro Schulden kommen. Dort werden nun Schulen und Bibliotheken geschlossen, der öffentliche Nahverkehr eingeschränkt und die Kommunalgebühren steigen – so trägt jeder Einwohner vom Säugling zum Rentner die Fehler der Kommunalpolitiker und Verwaltungen.

Die Bundesregierung hat jedoch das Konjunkturpaket II bereitgestellt, das den Kommunen zehn Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Das Problem hier: Der Bund hat die Gelder seinerseits leihen müssen. So zahlt der Steuerzahler auch hier für die Zinsen.

Autorin: Christine Strotmann

Redaktion: Pia Ann Gram