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"Crashkurs für griechische Steuerbeamte"

Konstantinos Symeonidis16. Januar 2016

Ein deutsches Bundesland will Griechenland beim Aufbau einer effizienten Steuerverwaltung helfen. Dazu ein Gespräch mit Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD).

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Norbert Walter-Borjans (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Skolimowska

DW: Herr Minister, an diesem Samstag (16.01.2016) unterschreiben Sie in Athen eine Absichtserklärung für eine engere Zusammenarbeit zwischen Nordrhein-Westfalen (NRW) und Griechenland im Kampf gegen Steuerhinterziehung. Worum geht es dabei?

Es geht um eine Art Crashkurs für griechische Steuerbeamtinnen und Steuerbeamte in unseren Ausbildungseinrichtungen. Wie werden bei uns Steuern festgesetzt? Wie werden Betriebe geprüft? Wie arbeitet die Steuerfahndung? Wie wertet sie Materialien aus? Wie führt sie ihre Ermittlungen? Damit wollen wir einen Beitrag leisten zur Stärkung der griechischen Steuerverwaltung.

Wann beginnt diese Weiterbildung?

Wir stehen bereit. Am besten wäre es, wenn wir die Semesterferien in den Einrichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen nutzen könnten. Dann haben wir Unterbringungsplätze und auch Ausbildungsräume. Insofern wäre der frühe Sommer sehr realistisch.

Zunächst werden 50 Beamte geschult. Werden es danach mehr?

Das soll kein Einmaleffekt sein. Wir werden sehen, ob das mit mehr als 50 Personen geht oder über einen längeren Zeitraum. Griechenland kann seine Handlungsfähigkeit nicht nur darüber erhalten, dass man alle Ausgaben kürzt. Das Land muss investieren können, das Land braucht Einnahmen. Und Griechenland muss dafür sorgen, dass die Einnahmen, die es im eigenen Land generieren kann, auch generiert werden.

Finanzamt von Piräus (Foto: DW)
Ein Büro im Finanzamt von Piräus, aufgenommen 2013Bild: DW

Ein entsprechendes Angebot zur Weiterbildung griechischer Steuerfahnder hatten Sie Athen schon 2012 unterbreitet. Warum wird es erst vier Jahre später angenommen? Anders gefragt: Mangelt es in Griechenland tatsächlich an Know-how, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen, oder einfach am politischen Willen?

Das kann ich nicht beurteilen, und ich will mich in die innergriechische Diskussion auch nicht einmischen. In den Gesprächen des Jahres 2012 hatte ich den Eindruck, dass unser Angebot durchaus positiv gesehen wurde. Dann aber ist man darauf nicht zurückgekommen, trotz mehrfacher Nachfragen meinerseits, aus welchen Gründen auch immer. Es ist ein Angebot, und ich will es Griechenland nicht aufdrängen. Anfang des Jahres gab es einen neuen Anstoß der griechischen Regierung, und da hatte ich den Eindruck, die Hilfe könnte doch etwas bewirken.

Vor ein paar Monaten haben Sie der griechischen Regierung eine Liste mit mehr als zehntausend Datensätzen zur Verfolgung von Steuerhinterziehung zur Verfügung gestellt, in Griechenland wird sie oft "Liste Merkel" genannt. Aber schon 2010 hatte der damalige griechische Finanzminister Papakonstantinou von der Chefin des Internationalen Währungsfonds eine Liste von Steuerhinterziehern erhalten, die "Liste Lagarde". Dennoch wurde bisher nur ein Bruchteil der Liste abgearbeitet. Glauben Sie, dass es diesmal anders wird?

Den Eindruck habe ich. In unseren Gesprächen 2012 spielte auch die Lagarde-Liste eine Rolle. Sie schien mir damals ein Grund dafür zu sein, warum Griechenland angesichts eines weiteren Hilfsangebots aus Nordrhein-Westfalen zunächst abwarten wollte. Jetzt habe ich den Eindruck, dass man aus den Daten erste Konsequenzen gezogen hat, beispielsweise Hausdurchsuchungen. Letztlich kann ich das nicht beurteilen. Wenn wir helfen können, die Schlagkraft der Finanzverwaltung in Griechenland zu stärken, dann tun wir das. Aber das ist eine Entscheidung, die in Griechenland fällt, und das ist auch richtig so.

Norbert Walter-Borjans (SPD) ist seit Juli 2010 Finanzminister des einwohnerstärksten deutschen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Er ließ mehrfach Steuer-CDs mit Kundendaten Schweizer Banken ankaufen, um gegen Steuerhinterzieher vorzugehen. Sein Motto: "Die Angst vor der Entdeckung ist das wirksamste Instrument gegen Steuerhinterziehung."

Die Fragen stellte Konstantinos Symeonidis.