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Italien ruft Notstand aus

21. Januar 2012

Die Suche nach den 21 Vermissten an Bord des gekenterten Kreuzfahrtschiffes "Costa Concordia" ist wieder aufgenommen worden. Unterdessen beschloss die italienische Regierung den Notstand für das betroffene Gebiet.

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Der Ort Giglio auf der Insel Giglio in Italien (Foto: AP)
Für das vom Schiffsunglück betroffene Gebiet um die Insel Giglio gilt der NotstandBild: AP
Das havarierte Kreuzfahrtschiff 'Costa Concordia' (l.) liegt in Schräglage vor der Küste der Insel Giglio in Italien (Foto: AP)
Die Bergungsarbeiten gingen eingeschränkt weiter - nachts nur oberhalb des WasserspiegelsBild: AP

Die Suche nach Vermissten auf der "Costa Concordia" ist am Samstag (21.01.2012) fortgesetzt worden. Nach einem Tag Zwangspause stießen die Marine-Taucher wieder in das Wrack des vor gut einer Woche havarierten Kreuzfahrtschiffes vor. Zunächst wurden mehrere Löcher in den Rumpf gesprengt, wo noch verschollene Menschen vermutet werden. Eine Explosion war schon am frühen Morgen zu hören. Insgesamt werden noch 21 Menschen vermisst. Experten gehen davon aus, dass keiner von ihnen noch am Leben ist.

Der Teil des 290 Meter langen Wracks, der über Wasser liegt, ist die ganze Nacht von Spezialkräften der Feuerwehr durchsucht worden. Die "Costa Concordia" hatte sich dabei nicht bewegt, wie ein Sprecher der Rettungsmannschaften bestätigte. Fast den ganzen Freitag hindurch hatten die Arbeiten im Inneren des Schiffs gestoppt werden müssen, weil leichte Bewegungen des auf Grund gelaufenen Ozeanriesen registriert worden waren. Das Kreuzfahrtschiff droht nach der Havarie vom 13. Januar über eine Unterwasserklippe in die Tiefe zu gleiten. Elf Tote wurden bislang geborgen.

Suche nach Vermissten geht vor

Taucher unter Wasser neben der Schiffsglocke mit der Aufschrift 'Costa Concordia' (Foto: dapd)
Die Taucher riskieren ihr LebenBild: dapd

Weil die Suche nach den Vermissten noch nicht beendet und außerdem viel Treibstoff an Bord ist, soll ein Sinken des Schiffes auf jeden Fall verhindert werden. "Absolute Priorität hat für uns weiterhin die Suche nach Vermissten", sagte der Sprecher der Rettungsmannschaften, Luca Cari, auf die Frage, wann mit dem Abpumpen des Treibstoffs zu rechnen sei. Unklar war damit, wann die niederländische Spezialfirma Smit mit dem Entfernen des Öls aus den Tanks beginnen kann.

Der Beginn der Aktion war eigentlich für diesen Freitag oder Samstag geplant. Jedoch dürften die Arbeiten aus Sicherheitsgründen voraussichtlich erst dann anfangen, wenn sich keine Helfer mehr an Bord befinden. Nach Angaben der Reederei sollen etwa 2300 Tonnen Treibstoff an Bord sein, offensichtlich überwiegend Schweröl. Dickflüssiges Schweröl muss erst erwärmt werden, bevor es abgepumpt werden kann. Die Tanks der "Costa Concordia" fassen 2400 Tonnen.

Notstand ausgerufen

Unterdessen beschloss die italienische Regierung den Notstand für das betroffene Gebiet, um Gelder und zusätzliche Hilfe für die Gegend bereitzustellen. Durch eine solche Maßnahme sind sämtliche Regierungsinstitutionen auf nationaler wie regionaler Ebene in die Rettungsarbeiten vor Ort eingebunden.

Deutsche Überlebende der Katastrophe haben einem Zeitungsbericht zufolge Schadenersatz von Reiseveranstalter und Reederei eingefordert. Nach Informationen der "Bild", die mit einem Anwalt gesprochen hatte, reichten zwei Ehepaare und eine Frau aus Nordrhein-Westfalen bereits Klage ein. Die fünf betroffenen Passagiere klagen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Insgesamt geht es um eine Summe von rund 78.000 Euro, hieß es.

"Kommandanten haben zu viel Macht"

Die 'Costa Concordia' (hinten) im Wasser (Foto: AP)
Bild: AP

Zur Diskussion um die möglichen katastrophalen Fehler des Kapitäns sagte der Chef der Costa-Crociere-Reederei, Pier Luigi Foschi, der Mailänder Zeitung "Corriere della Sera", Kommandanten hätten zu viel Macht bei ihren Entscheidungen. Foschi sagte, es sei nicht normal und nicht zu rechtfertigen, dass die Evakuierung nach dem Auflaufen auf den Felsen erst nach einer Stunde begonnen habe.

Als "absoluten Quatsch" bezeichnete der Anwalt des Kapitäns Spekulationen, Francesco Schettino könnte zum Zeitpunkt der Havarie betrunken gewesen sein. Die Ergebnisse eine Drogen-Analyse des 52 Jahre alten Schettino stehen noch aus. Anwalt Bruno Leporatti zitierte seinen Mandanten, der unter Hausarrest steht, wie folgt: "Sollte ich einen Fehler begangen haben, dann bin ich bereit, die Verantwortung zu übernehmen."» Doch das müsse noch geklärt werden.

Keine Auswirkungen auf Kreuzfahrt-Boom?

Italienische Medien wie der TV-Sender RaiNews24 zeigten währenddessen Amateuraufnahmen, auf denen zu sehen sein soll, dass Crewmitglieder der "Costa Concordia" Passagiere auch dann noch in ihre Kabinen zurückschickten, als bereits Wasser in das Schiff eindrang. "Alles ist unter Kontrolle, kehren Sie zu den Kabinen zurück", sage in dem Video ein Besatzungsmitglied etwa 40 Minuten nach der Kollision mit einem Felsen. Mit diesen Worten wendet sich eine Frau im Auftrag des Kapitäns an Passagiere. Die Aufnahmen scheinen Vorwürfe gegen den Kapitän zu bestätigen, die Evakuierung sei zu spät und chaotisch gewesen. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft gab daraufhin bekannt, alle Amateuraufnahmen von dem Schiffbruch vor Giglio sehen zu wollen.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) geht davon aus, dass die Havarie der "Costa Concordia" keinen Einfluss auf den Kreuzfahrt-Boom haben wird. Kreuzfahrten seien eigentlich sicher, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Schifffahrtsausschusses im DRV, Guido Laukamp, der Nachrichtenagentur dpa. "Tagesaktuell wird das überschattet, aber die Fakten ändern sich dadurch nicht."

Autorin: Julia Elvers-Guyot (dpa, afp, dapd)
Redaktion: Michael Wehling/Pia Gram