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Keine Sippenhaft, bitte!

14. August 2009

Sicher werden einige Leichtathleten in Berlin gedopt sein - etwas anderes anzunehmen, wäre naiv. Doch deshalb sollte man nicht alle verdächtigen und den Fernseher ausschalten, meint Wolgang van Kann.

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Themenbild Pro & Contra
Bild: DW

Ja, ich gebe es zu - ich werde mir die faszinierenden Wettbewerbe der Leichtathletik-WM in Berlin stundenlang anschauen - mit Freude und ohne schlechtes Gewissen. Und das nicht nur dienstlich, weil ich hier in der Sportredaktion arbeite, sondern auch privat, weil ich die spannenden Disziplinen der Leichtathletik gerne sehe.

Natürlich - man muss damit rechnen, dass auch bei der WM in Berlin wieder eine ganze Reihe Athleten gedopt an den Start gehen - ob sie nun erwischt werden oder nicht. Etwas anderes zu glauben, wäre blauäugig und naiv. Aber ich bin auch nicht bereit, mich denjenigen anzuschließen, die da behaupten: Na, die sind doch alle gedopt. Das ist für mich eine Art Sippenhaft, die wir doch längst aus unserem Repertoire gestrichen haben sollten. Ich halte es da mehr mit unserem Bundespräsidenten, der sagt, man solle nicht jeden erfolgreichen Sportler sofort mit dem Verdacht belegen, er sei gedopt.

Wer ist denn nicht gedopt?

Die Forderung, eine Veranstaltung dopinggefährdeter Sportarten nicht mehr zu schauen oder zu besuchen, halte ich für völlig abwegig. Wenn wir diesen strengen Maßstab anlegen, was dürfen wir denn dann noch? Ins Kino gehen? Kaum, viele Schauspieler haben bekanntermaßen Alkohol- oder Drogenprobleme. Ins Museum? Da bewundern wir dann Bilder, die im Drogenrausch oder als Ergebnis desselben entstanden sind. Ganz zu schweigen von Pop- oder Rockkonzerten. Und was ist mit den ganzen Lügereien und Betrügereien in Politik und Wirtschaft?

Wer fordert, Sportereignisse wegen der Dopingproblematik zu meiden, fordert eigentlich den Ausstieg aus der Gesellschaft - denn die ist ja auch nicht so perfekt, wie wir sie gerne hätten, und der Sport ist nur ein Spiegelbild davon. Der Ausstieg kann aber keine Lösung sein.

Also schaue ich mir die Wettbewerbe von Berlin an, und genieße die Leichathletik. Und als Journalist beobachte ich alles ganz genau und mache auf die Missstände aufmerksam.

Autor: Wolfgang van Kann, Sportredaktion

Redaktion: Manfred Götzke