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Höppner: "Ein beispielloser Vorgang"

Dennis Große-Plankermann24. Juli 2014

Die Fusionierung der beiden Sinfonieorchester des SWR ist beschlossen. Der Generalsekretär des Deutschen Musikrats hat die Pläne des SWR von Anfang an massiv kritisiert. Im Gespräch mit der DW erklärt er, warum.

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Christian Höppner lächelt in die Kamera (Foto: DW / Jan Röhl)
Bild: DW/Jan Röhl

DW: Herr Höppner, nach dem langen Hin und Her fragt mich sich: War das nun wirklich das Ende der Debatte?

Christian Höppner: Ich glaube schon, dass das der letzte Akt war in diesem Drama: Es ist ein beispielloser Vorgang in der bundesrepublikanischen Geschichte, dass ein Intendant und ein Rundfunkrat ein hochqualifiziertes, international renommiertes Orchester schließen.

Offiziell wird ja der Begriff "Fusionierung" benutzt.

Das ist eine Beschönigung. Es geht hier um die Schließung eines Orchesters. Das kommt durchaus der Vernichtung eines Kunstwerks gleich. Der Deutsche Musikrat hat sich von Anfang an ganz eindeutig positioniert, viele namhafte Dirigenten, Vertreter der Wirtschaft und auch der Bundestagspräsident haben sich eindeutig geäußert - es hat alles nichts genützt. Es macht mich wütend, mit welcher Verantwortungslosigkeit Intendant und Rundfunkrat gehandelt haben. Und auch mit welcher Ahnungslosigkeit sie glauben, dass man ein künstlerisch gewachsenes Gebilde wie ein Orchester einfach mit einem anderen zusammenlegen kann.

Die Folgen der Zusammenlegung

Welche künstlerischen Schwierigkeiten gehen denn mit der Fusionierung einher?

Weltklasse-Orchester arbeiten Jahrzehnte lang daran, ein individuelles Klangprofil zu entwickeln, um nicht in die Beliebigkeit einer Globalisierung von Klangästhetik zu verfallen. Der Reiz besteht ja gerade darin, ganz eigene Sichtweisen hörbar zu machen. Das ist ein Prozess, an dem lebendige Menschen mit hohen Kompetenzen zu einer Gruppe zusammengeführt werden müssen. Dazu gehört enorm viel Erfahrung, Wissen und Können.

Dirigenten und Komponisten von Weltrang haben sich eingemischt und sprechen von der "Marginalisierung der Kultur", sie selbst nannten den Vorgang "Kulturbarbarei". Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass es in Deutschland schon genug öffentlich finanzierte Kultur gebe. Braucht der SWR tatsächlich zwei Sinfonieorchester oder ist die Aufregung um die Fusion nicht eine Klage auf sehr hohem Niveau?

Wir leben in der viertreichsten Industrienation der Welt, die sich rühmt, eine Kulturnation zu sein. Und wenn man sich mal anguckt, welche Wirkungsräume die beiden Orchester in Baden-Württemberg haben, dann wird ganz schnell deutlich, dass beide hochfrequentiert waren. Diejenigen, die behaupten, wir hätten zu viel öffentlich finanzierte Kultur oder gar Orchester, haben die Entwicklung der letzten Jahrzehnte nicht mitbekommen. Wir haben seit der Wende eine Konsolidierung beispiellosen Maßes gehabt. Auch die Orchesterlandschaft ist längst nicht mehr so dicht. Die Entscheidung des Rundfunkrats zeigt ein erschreckendes Ausmaß an Arroganz gegenüber den Argumenten und eine Verantwortungslosigkeit gegenüber dem, was öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausmacht: neben dem Qualitätsjournalismus nicht nur den viel zitierten Kulturauftrag zu erfüllen, sondern auch selbst als Kulturträger zu agieren.

Der Anfang vom Ende

In den letzten zwanzig Jahren hat Deutschland 37 Orchester verloren. Ist die Fusion beim SWR der Anfang einer größeren Abschaffungswelle auch bei den Rundfunkorchestern?

Die Gefahr droht. So etwas hat natürlich Signalwirkung. Und wenn das erst einmal funktioniert, ist es vorstellbar, dass gefragt wird, wofür wir die Rundfunkklangkörper überhaupt noch brauchen. Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk an dem Ast sägt, auf dem er sitzt, dann stellt sich auch die Frage, wofür wir eigentlich einen gebührenfinanzierten Rundfunk brauchen. Ich sage das ausdrücklich nicht als Pauschalkritik: Es gibt eine Reihe wirklich sehr guter Angebote und es wird an vielen Stellen sichtbar, dass das Bewusstsein, Kulturträger zu sein, größer wird. Aber die jetzige Entscheidung beim SWR ist kontraproduktiv.

Ist es zu hoch aufgehängt, zu sagen, dass Deutschland seinen Ruf als Kultur- und Musiknation auf lange Sicht aufs Spiel setzt?

Nein, das sind keine Kassandrarufe, das passiert bereits. Im Ausland gibt es noch das Bild von Deutschland als Kulturnation und wir haben immer noch ein - vergleichsweise - gutes Niveau, aber die Erosion beginnt von innen, weil wir die kulturelle Bildung unserer Kinder und Jugendlichen sträflich vernachlässigen. Wenn wir diese Potenziale nicht nutzen, wird auch bald die Nachfrage sinken.

SWR-Intendant Peter Boudgoust möchte mit dem Fusionsorchester auch neue Wege in der Kulturvermittlung gehen - er begreift die Fusion unter anderem deshalb auch als Chance. Sehen Sie das auch so?

Nein, es ist lächerlich. Eine digitale Konzerthalle kann jeder erstellen. Dazu braucht man keinen Intendanten und auch keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dafür können auch Privatfirmen beauftragt werden.

Das Gespräch führte Dennis Große-Plankermann

Prof. Christian Höppner ist Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Sprecher für die Sektion Musik im Deutschen Kulturrat und Vorsitzender des Fachausschusses Bildung. Unter zahlreichen Aufgaben in Gremien und Ausschüssen ist er auch Mitglied des Rundfunkrates der Deutschen Welle.

Höppner unterrichtet seit 1986 Violoncello an der Universität der Künste Berlin und wurde 2001 für sein Engagement um das Berliner Musikleben mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.