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Chirac sucht Wandel - und Kontinuität

Martin Schrader31. Mai 2005

Zwei Tage nach der Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich hat Staatspräsident Jacques Chirac den Premierminister ausgewechselt. Der neue Mann steht jedoch für die alte Politik.

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Chirac versucht das Debakel zu erkärenBild: AP

Der bisherige französische Innenminister Dominique de Villepin übernimmt das Amt des Ministerpräsidenten. Präsident Jacques Chirac ernannte ihn am Dienstag (31.5.) zum Nachfolger von Jean-Pierre Raffarin. Mit der Regierungsumbildung zog der Staatschef die Konsequenz aus der deutlichen Ablehnung der EU-Verfassung beim Referendum. Fast 55 Prozent der Franzosen hatten sich am Sonntag gegen den EU-Verfassungsvertrag ausgesprochen, wobei die Unzufriedenheit über die Wirtschaftspolitik und Sorge um die Arbeitsplätze zu den wichtigen Beweggründen gehörten. Chirac hatte daraufhin einen "neuen Impuls" in der Regierungspolitik versprochen.

Dominique de Villepin neuer Premierminster Frankreichs
Neuer Mann an Chiracs Seite: Dominique de VillepinBild: AP

Nach dem Debakel beim Referendum zur EU-Verfassung traf Frankreichs Präsident Jacques Chirac noch eine zweite personelle Entscheidung: Er holte seinen innerparteilichen Rivalen Nicolas Sarkozy ins Kabinett zurück. In einer Fernsehansprache an die Nation sagte Chirac, der frühere Finanzminister habe zugestimmt, als Staatsminister in die Regierung einzutreten. Welche Aufgaben das Amt umfasst, ließ der Präsident indes offen. Chirac kündigte in der kurzen Ansprache auch an, die Priorität der Regierung unter dem neuen Ministerpräsidenten Dominique de Villepin werde die Schaffung von Arbeitsplätzen sein.

Nicolas Sarkozy Frankreich
Zurück im Kabinett: Nicolas SarkozyBild: AP

Start im Außenministerium

Villepins Nominierung gilt freilich als Zeichen dafür, dass Chirac die Zeit für einen drastischen Politikwechsel noch nicht für gekommen hält. Der neue Regierungschef verkörpert politische Kontinuität, ein Wechsel der politischen Inhalte wird von ihm nicht erwartet. Demnach ist Chiracs Reaktion auf das Debakel beim EU-Referendum eher kosmetischer Natur und kein ernsthaftes Umsteuern.

1980 begann Villepin, der verheiratet ist und drei Kinder hat, seine diplomatische Karriere im Außenministerium. 1984 wurde er zum außenpolitischen Berater für den Mittleren Osten in der französischen Botschaft in den Vereinigten Staaten ernannt. 1987-1989 war er in Washington Zweiter Berater und Pressechef. 1995 unterstützte er bei den Wahlen Chirac, der die Wahlen auch gewann. Nach Chiracs Amtsantritt übernahm Villepin das Amt des Generalsekretärs im Präsidialamt und gewann zunehmend Einfluss im Elysée-Palast, zumal er sich zum engsten Berater und Vertrauten von Präsident Jacques Chirac entwickelte.

"Nero"

In die Kritik der Öffentlichkeit geriet Villepin im Frühjahr 1997, als er Chirac zu der missglückten Auflösung der Nationalversammlung riet, die in den nachfolgenden Wahlen zu einer Niederlage der Bürgerlichen führte und eine Neuauflage der "Kohabitation" zwischen neogaullistischem Präsidenten und sozialistischer Regierung zur Folge hatte. Villepin, der sich selbst nicht dem Wählervotum stellte, machte sich mit diesem Rat aber auch mit undiplomatischen Kraftsprüchen und einer herablassenden Haltung gegenüber den Parlamentariern zahlreiche Feinde in den Reihen der neogaullistischen Abgeordneten. Chiracs Ehefrau Bernadette soll ihn daraufhin als "Nero" tituliert haben.

Bei den Präsidentschaftswahlen im April/Mai 2002 kandidierte Chirac erneut erfolgreich. Villepin trat als Minister für Äußeres, für Kooperation und für die Frankophonie am 17. Juni 2002 sein Amt an. Bestimmendes außen- und weltpolitisches Thema war nach den verheerenden Terroranschlägen von Islamisten am 11. September 2001 in New York und Washington der von US-Präsident George W. Bush ausgerufene "Krieg gegen den Terror". Während Frankreich den von den USA im Dezember 2001 militärisch herbeigeführten Sturz des Taliban-Regimes in Afghanistan noch unterstützte, schloss sich Paris in der Irak-Krise im Frühjahr 2003 mit Deutschland und Russland in der Allianz der Kriegsgegner zusammen. In mehreren temperamentvollen Reden vor dem UN-Sicherheitsrat wandte sich Villepin gegen einen Alleingang Amerikas, verlangte eine friedliche Entwaffnung sowie eine führende, über eine multipolare Weltordnung abgesicherte Rolle der UNO.