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Brisantes Derby

Hao Gui/Jiajun Chen18. November 2015

Sportlich ging es für die Mannschaften aus China und Hongkong schlecht aus. Nach dem 0:0 haben sie kaum noch Chancen, sich für die WM zu qualifizieren. Doch das Spiel hat auch politische Dimensionen.

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WM-Qualifikationsspiel Hongkong-China. (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/V. Fraile

6000 Zuschauer sind am Dienstag ins ausverkaufte Hongkonger Mangkok-Stadion gekommen. 1500 Polizisten sorgen für Ordnung und Sicherheit, Eintritt nur gegen Vorlage des Personalausweises.

Es findet ein Gruppenspiel der Fußball-WM-Qualifikation in Asien statt. China, Nummer 85 auf der Weltrangliste des Fußballweltverbands FIFA gegen die Nummer 143 aus Hongkong.

40 Mannschaften in Asien kämpfen um die vier begehrten Plätze für die WM 2016 in Russland, das fünfte Team muss ein Relegationsspiel gegen Australien absolvieren.

"Boo"-Rufe der Hongkong-Fans. (Foto: dpa)
"Boo"-Rufe der Hongkong-FansBild: picture-alliance/AP Photo/K. Cheung

Spiel von höchster Brisanz

Sportlich ist das Spiel uninteressant, doch für politische Insider von höchster Brisanz. Denn China als Wirtschaftsriese das Image des Fußballzwergs loswerden. In der Gruppe mit Hongkong, Katar, Bhutan und den Malediven sollte also ein Gruppensieg für China kein Thema sein, sollte man meinen. Denn für Fußball steht in China viel Geld zur Verfügung. Zahlreiche Sponsoren füllen die Kassen des Chinesischen Fußballbundes. Der französische Cheftrainer Allain Perrin erhält ein Jahresgehalt von nicht weniger als einer Million US-Dollar. Und ein Milliardenvolk feuert die chinesische Elf an.

Aber bisher nahm China nur einmal an der WM 2002 teil, da die Gastgeber Südkorea und Japan automatisch für die Endrunde qualifiziert waren. Doch die ehemalige britische Kolonie, seit 1997 wieder unter Chinas Verwaltung, war oft der Stolperstein für den Fußballtraum Chinas. Schon in der WM-Qualifikation 2004 scheiterte Chinas Nationalmannschaft im letzten Spiel an Hongkong. Ein 7:0 für Peking hatte fürs Weiterkommen nicht gereicht. Acht Tore wären nötig gewesen.

Und so kommt es auch am Dienstag. China trifft zu oft nur die Latte und bringt das Runde nicht ins Eckige. Endstand: 0:0 und damit Aus für China und für Hongkong.

Chinas Fußballbund über Hongkongs Mannschaft: "Eine farbige Mischung". (Foto: dpa)
Chinas Fußballverband über Hongkongs Mannschaft: "Eine farbige Mischung"Bild: picture-alliance/dpa

Schmutzkampagne

Dem sportlichen Wettbewerb war eine Schmutzkampagne von Fans und Fußballverbänden vorausgegangen. Der chinesische Fußballbund veröffentlichte im Sommer ein Werbeplakat und bezeichnete die Fußballmannschaft von Hongkong als eine "vielfältige farbige Mischung aus Dunkel-, Gelb- und Hellhäutigen" - eine Aussage, die in Hongkong als "rassistisch" gewertet wurde. Die Hongkonger Fußballassociation (HKFA) legte Protest ein und berichtete später, Peking habe sich entschuldigt.

Im September waren laute Buhrufe der Hongkonger Fans vor dem Qualifikationsspiel gegen Katar zu hören, als die chinesische Nationalhymne abgespielt wurde. Seit Hongkong 1997 wieder zu China gehört, wird vor jedem Spiel die chinesische Hymne gespielt. Das Benehmen der Fans vor dem Spiel gegen Katar missfiel Peking und die FIFA schaltete sich ein. Mit einer Geldstrafe von 4000 US-Dollar kam die HKFA mit einem blauen Auge davon und am Dienstag waren keine Buhrufe mehr wahrzunehmen. Stattdessen hielten Hongkonger Fans aus Protest Schilder mit dem Aufdruck "Boo" in der Hand und auf Transparenten war zu lesen: "Hongkong ist nicht China".

Hongkong schränkt den Export von Babynahrung ein. (Foto: DW)
Hongkong hat den Export von Babynahrung eingeschränktBild: DW/Hao Gui

Missvertrauen wächst

Zwar steht Hongkong als Sonderverwaltungszone unter Pekings Verwaltung. Das Hongkonger Grundgesetz sichert der früheren britischen Kronkolonie aber ein hohes Maß an Selbstbestimmung und das Verhältnis zwischen Hongkong und Peking ist angespannt. Nach der Ablehnung der umstrittenen Wahlreform im Hongkonger Parlament im vergangenen Sommer, die von Peking vorgeschlagen worden war, machte sich die asiatische Finanzmetropole in der chinesischen Staats- und Parteiführung noch unbeliebter. Peking hatte vorgeschlagen, dass Hongkong seinen Regierungschef frei wählt, wollte die Kandidaten aber selbst aussuchen.

Ein tiefes Misstrauen ist auch im gesellschaftlichen Leben spürbar. Für Festlandchinesen ist Hongkong ein Shopping-Paradies. Einige chinesische Nationalspieler wurden vor dem Spiel in Edelboutiquen gesichtet. 2014 passierten 235 Millionen Menschen die Grenze zwischen Hongkong und China. Die Touristen vom Festland stürmen massenhaft die ohnehin vollen Kaufhäuser und kaufen vieles von dem, was auch die Hongkonger Bürger brauchen, allem voran: Babynahrung. Viele "Touristen" betreiben einen regelrechten Handel von Gütern aus Hongkong. Sie fahren täglich nach Hongkong, kaufen ein und transportieren die Waren nach China. Diese enorme Nachfrage führt dazu, dass Hongkong den Export von Milchpulver eingeschränkt hat.

Xi bei der Ankunft in Manila. (Foto: dpa)
Xi und Leung trafen sich in Manila vor dem Spiel am Rande des APEC-GipfelsBild: Picture alliance/dpa/D. Azubel

Neutrale Staatsdiener

Zum China-Derby befragt, vermieden es viele Hongkonger Politiker, Stellung zu beziehen. Sie verdanken schließlich Peking ihre Ämter. Als Regierungschef Leung Chun-ying gefragt wurde, welche Mannschaft er unterstützt, antwortete er lapidar, er werde beim APEC-Gipfel auf den Philippinen sein und keine Zeit haben, die Liveübertragung zu verfolgen.

Am Spieltag hatte Leung in Manila Chinas Präsident Xi Jinping vor dem Anpfiff am Flughafen getroffen. Vielleicht hat ihn ja der bekennende Fußballfan Xi dazu überredet, den Spielausgang zu tippen.