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Asylbewerber wider Willen

8. August 2016

Asylunterkunft statt Hotelbett: Ein chinesischer Rucksacktourist will Süddeutschland, Frankreich und Italien bereisen. Er unterschreibt ein Formular und sitzt tagelang im Münsterland fest - als Asylbewerber.

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Einem Flüchtling wird der Fingerabdruck genommen. (Foto: picture alliance/dpa/P. Endig)
Bild: picture alliance/dpa/P. Endig

Wie ein Tourist zum Flüchtling wurde

Eigentlich wollte der chinesische Tourist nur einen Diebstahl melden. Stattdessen unterschreibt er auf der Polizeistation einen Asylantrag und sitzt für fast zwei Wochen in einem Flüchtlingsheim im Münsterland fest. "Er hatte eine Maschinerie in Gang gesetzt, aus der er erstmal gar nicht wieder rauskam", sagte Christoph Schlütermann, Kreisvorstand beim Deutschen Roten Kreuz, das das Heim in Dülmen betreibt. Zuvor hatte die "Dülmener Zeitung" darüber berichtet.

Der Asylbewerber wider Willen war Anfang Juli mit einem Bus voller nicht registrierter Flüchtlinge aus Dortmund nach Dülmen gekommen - und schnell aufgefallen. "Er war so anders als die anderen. Sehr, sehr hilflos", sagte Schlütermann. Weil ihm sein Verhalten so merkwürdig vorkam und der Mann auch höflich versucht habe, sich bemerkbar zu machen, nahm der Betreuer eine Übersetzungsapp zur Hilfe: "Da kamen dann Sätze raus wie: "Ich möchte im Ausland spazieren gehen." So wurde mit der Zeit klar: Der 31-Jährige aus einer Provinz in Nordchina wollte kein Asyl - er wollte nach Frankreich und Italien reisen.

Pass weg, Visum weg

Ein Dolmetscher aus einem China-Restaurant der Stadt übersetzte, was der ausschließlich Mandarin sprechende Mann über seine Odyssee zu berichten hatte. So war ihm offenbar nach seiner Ankunft in Stuttgart die Geldbörse abhanden gekommen. Statt an die Polizei geriet er wohl an eine Behörde in Heidelberg, die ihm den Asylantrag vorlegte. Die Stadt Heidelberg betonte, dass es sich dabei nicht um eine kommunale Stelle handeln könne. "Er ist bei keiner städtischen Stelle vorstellig geworden", teilte die Stadt mit. Nach Auskunft des Roten Kreuzes wurde der Reisende jedenfalls anschließend in die Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund gebracht, wo man ihm Reisepass, Visum sowie die Fingerabdrücke abnahm.

"Viel Obrigkeitsdenken"

"Er war auf einmal in unserem System drin und wurde dann behandelt wie jeder andere Asylbewerber auch", bestätigte ein Sprecher der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg den Vorgang. Er wurde untersucht, bekam die Ankunftsdokumente und wurde nach Dülmen gefahren - ohne sich zur Wehr zu setzen. "Da war wohl auch viel Obrigkeitsdenken dabei. Er hat einfach gemacht, was man ihm gesagt hat", sagte Schlütermann. Zu rekonstruieren, was genau passiert war, dauerte zwölf Tage. "Meine Mitarbeiter haben tagelang verschiedene Konsulate angerufen - zuerst kannte ihn keiner", sagte Schlütermann. Erschwerend sei hinzugekommen, dass sein Visum bei der zuständigen Behörde falsch abgelegt und zunächst nicht auffindbar war. Erst als man ihm Ersatzdokumente besorgt habe, konnte er seine Reise fortsetzen.

pab/gri (dpa)