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Chinas "Schuldenkrise" gibt es nicht

Frank Sieren20. Februar 2014

Chinas Banken sitzen auf faulen Krediten in Milliardenhöhe. Eine Schuldenkrise gibt es dennoch nicht. China bleibt vielmehr der wichtigste Stabilisator der Weltwirtschaft – meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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The Bank of China tower and Cheung Kong center in Hong Kong (Foto; AFP/Getty Imeges)
Bild: Philippe Lopez/AFP/GettyImages

So alarmiert, wie Finanzexperten in letzter Zeit mit dem Finger auf China zeigen, wirkt es ein bisschen so, als wollten sie ihren Gesichtsverlust von vor fünf Jahren wieder gut machen. Als damals faule Immobilienkredite in den USA eine Kettenreaktion auslösten und die gesamte Weltwirtschaft in ihre größte Krise seit 80 Jahren rutschte, hatte das kaum jemand kommen sehen.

Aber deshalb jetzt beinahe täglich über eine bevorstehende Schuldenkrise in China orakeln? Das wird den lädierten Ruf der Finanz-Gurus auch nicht wieder herstellen. Denn zu einem Absturz, wie ihn zuletzt der Westen erlebt hat, wird es im Reich der Mitte so schnell nicht kommen.

Dilemma des westlichen Finanzsystems

Ja, China hat Schulden. Allerdings ganz andere als die, mit denen westliche Staaten - insbesondere der Süden Europas - gerade zu kämpfen haben. Die Regierungen dort stecken in der Krise, weil sie sich über Staatsanleihen viel Geld im Ausland geliehen haben. Es ist eine Spirale, die sich immer schneller dreht: Weil Länder wie Griechenland über viele Jahre nicht gut gewirtschaftet haben, sind ausländische Investoren nur noch bereit, neues Geld zu leihen, wenn sie dafür höhere Zinsen kriegen.

Höhere Zinsen bedeuten aber auch, dass es noch schwieriger wird, die neuen Schulden zurückzuzahlen. Das ist ein Dilemma, das für das gesamte westliche Finanzsystem gilt, in dem sich praktisch alle Staaten über Staatsanleihen finanzieren. Sobald es in der Wirtschaft Probleme gibt, zum Beispiel, weil Großbanken, die sich verspekuliert haben, gerettet werden müssen, senken die Käufer der Anleihen den Daumen und die Schulden laufen noch weiter aus dem Ruder.

Investitionspaket auf Kredit

In China gibt es das nicht. Das Land hat keine Staatsanleihen ausgegeben und somit auch keine Schulden im Ausland. Kritiker zeichnen aber ein anderes Schreckensszenario: Sie haben lokale Städte und Provinzen im Auge. Die haben sich auf Geheiß von Peking in den letzten Jahren stark bei den Banken des Landes verschuldet. Es soll dabei um Kredite von bis zu vier Billionen Euro gehen. Das Geld wurde unter anderem in neue Schnellzug-Strecken, Flughäfen und den Bau von Wohnungen gesteckt. Dieses gigantische Konjunkturpaket hat China geholfen, beinahe unbeschadet durch die Krise zu kommen. Durch sein stabiles Wachstum konnte China den Rest der Welt sogar stützen.

(Foto: Frank Sieren)
Sieren: Schreckensszenarien der Finanzexperten nicht so ernst nehmenBild: Frank Sieren

Allerdings haben die Provinz-Regierungen dabei auch viel Geld verschwendet. In Folge sind ganze Geisterstädte entstanden, in denen kein Mensch wohnt. Und die Banken drohen nun auf faulen Krediten sitzen zu bleiben. Allerdings: Nur, weil der chinesische Patient plötzlich ähnliche Symptome zeigt wie der Westen, kann deshalb noch lange nicht die gleiche Diagnose gestellt werden.

Devisenreserven erlauben China Gelassenheit

Bislang geht die Regierung in Peking davon aus, dass die Banken des Landes auf Krediten in Höhe von 69 Milliarden Euro sitzen bleiben wird. Nun ist es mit offiziellen Zahlen aus Peking zwar immer so eine Sache. Doch selbst, wenn die tatsächliche Summe doppelt oder sogar dreimal so hoch sein sollte, kann die Regierung das Problem noch immer locker mit der Hauskasse lösen. Schließlich verfügt das Land über gewaltige Devisenreserven. Erst vergangene Woche wurde wieder ein neuer Rekord verkündet: Mittlerweile hat China 3,82 Billionen Dollar Cash angehäuft. Damit lassen sich gewiss mehr als nur ein paar heimische Banken retten.

In China tickt deshalb nicht etwa die nächste Schulden-Zeitbombe, die die Weltwirtschaft in die nächste große Krise stürzen wird. Im Gegenteil: Das Reich der Mitte ist derzeit wohl ihr wichtigster Stabilisator. Auch deutsche Unternehmen stünden jetzt viel schlechter da, hätten sie während der Krise nicht weiterhin ihre Waren nach China verkaufen können.

China, der geduldige Gläubiger

Und auch die USA sollten sich dankbar schätzen. Man muss sich nur an den "shut down" des Landes im vergangen November erinnern. Weil der Kongress sich nicht über die Anhebung der maximal zulässigen Schuldengrenze einigen konnte, ging im ganzen Land tagelang nichts mehr. Die Regierung schickte hunderttausende Beamte nach Hause und schloss sogar die Nationalparks.

Doch China, das über zehn Prozent sämtlicher US-Staatsanleihen besitzt und damit der größte Gläubiger der USA ist, schaute sich das Schauspiel geduldig an, und senkte aus eigenem Interesse natürlich nicht den Daumen.