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Chinas KP hat keine Lösung für Tibet

8. Februar 2012

Weder mit Investitionen noch mit Repression kann Peking die Tibeter im Lande zu patriotischen Staatsbürgern machen. Unruhen und Gewalt flackern immer wieder auf, mit Auswirkungen in die höchsten Machtzirkel der Partei.

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Tibetische Exilanten mit Gesichtsbenmalungen in den Farben der tibetischen Flagge. (Foto: AP)
Bild: dapd

Die immer wieder aufflackernden Unruhen in den autonomen Regionen Xinjiang und Tibet sowie in benachbarten Provinzen mit hohem tibetischen Bevölkerungsanteil (Sichuan, Gansu, Qinghai und Yunnan) stellen die Führung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) auf eine harte Probe. Ist doch die Wahrung gesellschaftlicher Stabilität das alles überragende Motto im Vorfeld des 18. Parteitages im Herbst dieses Jahres.

In den tibetischen Siedlungsgebieten, insbesondere im westlichen Sichuan, wurden seit Mitte 2011 mehr als einhundert Protestaktionen und Unruhen registriert. Es kam zu Selbstverbrennungen von Mönchen und Nonnen. Bei mehreren gewaltsamen Ausschreitungen in Westsichuan wurden während der chinesischen Neujahrsfeiertage mindestens zwanzig Tibeter verletzt oder erschossen.

Massive Sicherheitspräsenz

Es handelt sich damit um die schwersten Unruhen seit den Ausschreitungen zwischen März und April 2008, die vor allem das Autonome Gebiet Tibet, Sichuan und Gansu betroffen hatten. Damals schickte die Zentrale Militärkommission unter dem Vorsitz von Präsident Hu Jintao in großem Umfang Militärverbände und bewaffnete Volkspolizei in das Autonome Gebiet Tibet und in den Westen Sichuans.

Rauchschwaden in Lhasa bei den Unruuhen von 2008 (Foto: AP)
Chinas Führung will Unruhen wie hier 2008 in Lhasa auf jeden Fall vermeidenBild: AP

Die Zahl des Militär- und Sicherheitspersonals wurde seit Mitte 2011 nochmals erhöht. Im Januar wurden erstmals Flugmanöver der chinesischen Luftwaffe über dem tibetischen Hochland durchgeführt. Trotzdem ist der Geist des Widerstandes unter den Mönchen und der tief religiösen Bevölkerung Tibets ungebrochen.

Politische Dividende bleibt aus

Ende 2011 entschied sich die Führung der Kommunistischen Partei Chinas, den Hardliner und Parteichef Tibets, Zhang Qingli, durch den moderateren Provinzgouverneur von Hebei, Chen Quanguo, zu ersetzen. Dieser konzentrierte sich nach seiner Ankunft in Lhasa vor allem auf die Wirtschaft, insbesondere den Ausbau der Sozialleistungen. Er überredete kleinere und mittelständische Unternehmen dazu, ihren Sitz von Sichuan und anderen Nachbarprovinzen in das Autonome Gebiet Tibet zu verlegen. Aber auch die ökonomischen Anreize hatten offensichtlich nicht den gewünschten Erfolg. Es ist Chen Quanguo nicht gelungen, die Tibeter für China und dessen Politik zu gewinnen.

Zhang Qingli, 2011 als Parteichef von Tibet abgelöst (Foto: AP)
Zhang Qingli, 2011 als Parteichef von Tibet abgelöstBild: AP

Das Kernproblem bleibt: Obwohl den Tibetern von der Verfassung religiöse Freiheit und begrenzte Autonomie garantiert sind, werden die Mönche und Nonnen von der Volkspolizei und Agenten der Staatssicherheit engmaschig kontrolliert und überwacht. Die Situation hat sich seit März 2008 deutlich verschlechtert. Offiziere der Volkspolizei und Zivilpolizisten wurden dauerhaft in Klöstern stationiert. Mönche werden zur "patriotischen Erziehung" gezwungen. Die Zusammenkünfte von Mönchen und Volk werden überwacht. Pekings offizielle Linie lautet folgendermaßen: Die Sicherheitskräfte gehen mit der gebotenen Härte gegen Sezessionisten vor, die in enger Verbindung mit antichinesischen Kräften aus dem Westen stehen. Internationale Menschenrechtsorganisationen haben keinen Zweifel daran, dass die religiöse Freiheit der Tibeter massiv beeinträchtigt wird.

Die Regierung aus Peking hält außerdem an ihrer Sinisierungspolitik fest. Han-Chinesen werden ermutigt, in die westlichen Provinzen und Regionen auszuwandern. Die Strategie war in Xinjiang bereits erfolgreich. Dort haben die Han-Chinesen die einheimischen Uiguren zahlenmäßig bereits weit übertroffen. In Tibet ist das schwieriger zu erreichen, da viele Han-Chinesen sich nicht an die sauerstoffarme Luft des tibetischen Hochlands gewöhnen können.

Machtfragen innerhalb der KPCh

Ein Nebenaspekt der ungelösten Aufgabe der Befriedung Tibets sind Auswirkungen auf das Machtgefüge an der Spitze der KPCh. Der scheidende Partei- und Staatschef Hu Jintao hat Pläne für die "generationenübergreifende" Regelung der Nachfolge an der Parteispitze. (Dieses System war von Deng Xiaoping eingeführt worden.) Hu Jintaos Wunschkandidat als Nachfolger des künftigen Parteichefs Xi Jinping im Jahr 2022 ist Hu Chunhua, derzeit Parteichef in der Inneren Mongolei. Voraussetzung dafür wäre, dass Hu Chunhua beim 18. Parteitag im Herbst in den Ständigen Ausschuss des Politbüros einzieht, ein Plan, der durch die ethnischen Konflikte im Westen schiefgehen könnte.

Chinesische Präsident Hu Jintao in der Großen Halle des Volkes (Foto: dapd)the party must fight corruption to retain public support and continue its uncontested rule. (Foto:dapd)
Vor seiner Zeit als Staats- und Parteichef war Hu Jintao der starke Mann in TibetBild: dapd

Hu Chunhua wurde 2005, im Alter von 42 Jahren, Vizeparteichef in Tibet. Sein Name ist also verbunden mit der offenbar gescheiterten Tibet-Politik der harten Hand. Ungünstig für seinen Aufstieg könnte auch die Tatsache sein, dass im Frühjahr 2011 in der Inneren Mongolei Unruhen zwischen Mongolen und Han-Chinesen ausbrachen, kurz nachdem Hu dort seinen Posten als Parteichef angetreten hatte.

Autor: Willy Lam/Übers.: R. Ebbighausen
Redaktion: Hans Spross