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Dialog statt Gewalt

Matthias von Hein5. Dezember 2008

Der Auftritt des Dalai Lamas vor dem EU-Parlament verärgert die chinesische Regierung. Dabei erhielt er seine politische Dimension paradoxerweise genau wegen der starren Haltung Pekings, kommentiert Matthias von Hein.

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Bild: DW

Ausdrücklich als religiöser Führer wurde der Dalai Lama am Donnerstag (04.12.2008) vom Präsidenten des Europa-Parlamentes Hans-Gert Pöttering begrüßt. Für die chinesische Regierung ist der Dalai Lama allerdings weitaus mehr. Sie sieht in ihm einen Spalter des Vaterlandes, einen gefährlichen Separatisten. Deshalb versucht Peking, die Begegnung des Dalai Lama mit Politikern, öffentliche Auftritte mit massenmedialer Wirkung zu verhindern. Druck wird ausgeübt, es wird gedroht – Gäste werden ausgeladen oder chinesische Delegationen steigen gar nicht erst ins Flugzeug.

Peking reagiert übertrieben

Matthias von Hein (Quelle: DW)
Matthias von HeinBild: DW

So ließ die chinesische Regierung den am 1. Dezember in Lyon geplanten EU-China Gipfel platzen. Weil Nicolas Sarkozy als derzeitiger EU-Ratsvorsitzender den Dalai Lama am Samstag (06.12.2008) in Danzig treffen wird. Bei einem Treffen von Friedensnobelpreisträgern auf Einladung der EU. Weil vor 25 Jahren Lech Walesa als Chef der unabhängigen polnischen Gewerkschaft Solidarnosc den Friedensnobelpreis erhalten hat. Und neben – zum Beispiel - Michail Gorbatschow ist eben auch der Dalai Lama dabei. Weil er selbst auch Träger des Friedensnobelpreises ist.

Aber diese Fakten stören Peking genauso wenig wie die Tatsache, dass China sich durch die Verschiebung des EU-China-Gipfels ins eigene Fleisch schneidet. Gerade jetzt, wo die Welt Finanzkrise in eine Weltwirtschaftskrise zu kippen droht, wäre der Dialog der beiden Wirtschaftsgiganten wichtig. Hunderte Fabriken haben in China bereits die Tore schließen müssen, weil die Export-Aufträge wegbrechen. Der Leiter der staatlichen Entwicklungs- und Reformkommission warnte letzte Woche vor sozialer Instabilität, sollte sich die Wirtschaft weiter abschwächen.

Der Dalai Lama – ein Mann der Mitte

Eine Warnung, die vergangenes Wochenende Staatspräsident Hu Jintao persönlich wiederholte. Wenn aber ausländische Politiker den Dalai Lama treffen, scheint der chinesischen Regierung kein Opfer zu groß. Es ist ein Jammer, dass niemand aus der jetzigen Führung je mit ihm gesprochen hat. Dass alle Informationen über den Dalai Lama erst die verschlungenen Windungen der Bürokratie durchlaufen, bevor die Führung sie zur Kenntnis nimmt.

Die Botschaft des Dalai Lamas war auch in Brüssel ein Bekenntnis zum Dialog. Dazu gehört, dass er erneut mehrfach jedes Streben nach einem eigenen Staat abgelehnt hat. Er hat wiederholt betont, aus eigenem Interesse wollten die Tibeter Teil des chinesischen Staatsgebildes sein. Die Tibeter wollten die Modernisierung. Aber sie wollen sie mitgestalten – entsprechend der in der Verfassung garantierten Minderheiten-Rechte.

Zustimmung lässt sich nicht erzwingen

Nach der Versammlung der Exil-Tibeter in der letzten Woche im indischen Dharamsala kann der Dalai Lama sich auch des Rückhalts der Exil-Tibeter für seinen "mittleren Weg" sicher sein.

Der Haken liegt in China: Dort gibt es kein Verfassungsgericht, vor dem sich diese Rechte einklagen ließen. Dort scheinen sich in der Führung gerade die Vertreter einer harten Haltung durchzusetzen. Leute, die meinen, die Zustimmung der Tibeter zum chinesischen Staat ließe sich einfacher durch Gewalt erzwingen als durch vertrauensbildende Maßnahmen erwerben. Teile der chinesischen Bevölkerung sind da schon viel weiter: Chinesische Intellektuelle forderten in einem mutigen offenen Brief die chinesische Regierung zu einem Umdenken in ihrer Tibet-Politik auf und machten 12 konkrete Vorschläge. Das war Ende März, nach den Tibet-Unruhen. Die entzündeten sich am 49. Jahrestag des chinesischen Einmarschs 1959. Nächstens Jahr steht ein rundes Jubiläum bevor. Dialog tut Not. Im Interesse aller.

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