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Design statt Copy

Andreas Leixnering25. August 2007

Als billige Produktionsstätte und Raubkopier-Paradies ist China bekannt. Doch inzwischen gestalten die Chinesen mehr und mehr Produkte selber. Werden sie die westliche Warenwelt verändern?

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Teenager in Peking mit Kamera-Handy (Quelle: AP)
Chinesen mögen es spielerisch:<br>Teenager in Peking mit Kamera-HandyBild: AP
Waschmaschine des chinesischen Unternehmens Haier (Quelle: Haier)
Für diese Waschmaschine bekam Haier den Red Dot Design Award 2007Bild: haier

Es klingt skurril, doch es ist eine Waschmaschine, die Chinas Fortschritt in Sachen Produktgestaltung derzeit am besten veranschaulicht. Haier, Hersteller von Haushaltgeräten, wurde für das Design seines Toploaders im März 2007 mit dem begehrten Red Dot Design Award geadelt - als erstes chinesisches Unternehmen überhaupt.

Als exportorientiertes Unternehmen hat der Elektromulti aus dem ostchinesischen Qingdao erkannt, wie wichtig das Aussehen einer Marke ist. Bis vor drei Jahren habe Haier gerade mal eine handvoll Designer eingestellt, inzwischen fänden dort jährlich 25 bis 30 Entwickler einen Job, berichtet die Zeitung Wirtschaftswoche. Und das scheint sich auszuzahlen: Haier ist inzwischen Weltmarktführer bei Kühlschränken.

Selber entwerfen anstatt kopieren

Nicht nur in der Haushaltstechnik bewegt sich China weg vom Status der bloßen Werkbank des Westens und dem Stereotyp eines Eldorados für Produktpiraterie. Firmen wie der Handyhersteller ZTE aus Schanghai, der Computerproduzent Lenovo oder der Elektronikkonzern TCL aus Huihou legen zunehmend Wert auf eigene Produktgestaltung. "In China und auch Taiwan setzt sich die Erkenntnis durch, dass es mit bloßer Nachahmung nicht getan ist", sagt Ralph Wiegmann, Geschäftsführer des International Forums Design Hannover (iF). Das zeige allein die steigende Anzahl von Nominierungen und Preisen chinesischer Firmen bei globalen Designwettbewerben.

Dirk Jehmlich leitet die Außenstelle des Hamburger Trendbüros in Peking
Dirk Jehmlich leitet die Außenstelle des Trendbüros in PekingBild: trendbüro hamburg

Westliche Hersteller sehen die neue Kompetenz mit Wohlgefallen, beobachtet Dirk Jehmlich in Peking. Er ist Geschäftsführer der chinesischen Nebenstelle des Hamburger Trendbüros. Als erstes Trendforschungsinstitut haben die Deutschen Niederlassungen in China eröffnet und beraten dort auch chinesische Unternehmen in Sachen Designtrends. "Früher hat man den Kinderwagen oder das Handy selbst entworfen und in China fertigen lassen. Heute lässt man sich die Designvorschläge gleich mitliefern." Obwohl im Westen kaum jemand die Firmen kenne - das heutige Design von Kinderwägen oder Desktop-Computern komme zu einem großen Teil aus China.

Design oder Nichtsein

Dass das Aussehen einer Ware plötzlich eine so große Rolle spiele, hänge auch daran, dass China im Vergleich zu Südamerika oder Afrika heute kein Billiglohn-Land mehr sei, erklärt Jehmlich. "Deshalb muss es mit anderen Qualitäten überzeugen, wie einem ansprechenden Design." iF-Design-Chef Wiegmann bestätigt einen Zuwachs von Ausbildungsstätten für Produktdesign, auch wenn die Qualität der Lehre noch nicht westlichen Stand habe. "Aber in ein paar Jahren sieht das schon anders aus."

Staubsauger im Hunde-Look

Ralph Wiegmann, Geschäftsführer des International Forum Design Hannover
Ralph Wiegmann, Veranstalter des renommierten iF Design AwardBild: if-design award

Aber was macht chinesisches Design aus? Gibt es so etwas überhaupt? "Durchaus", meint Wiegmann. Bestes Beispiel sei das typische Tee-Service. Im gestalterischen Umgang mit sehr dünnem Porzellan hätten die Chinesen eine große Kompetenz. Allerdings: "Ihre Versuche, globale Produkte mit einem nationalen Design zu versehen, gehen meist schief", weiß der Fachmann und nennt einen Staubsauger mit dem Aussehen eines Hundes. Solche spielerischen Elemente goutiere eine westliche Kundschaft nun mal nicht. Im digitalen Design gebe es hingegen kein nationales Design: "Ein Flachbildschirm ist ein Flachbildschirm."

Wegen der Kulturrevolution habe sich erst gar kein spezifisch chinesisches Design entwickeln können, sagt hingegen Trendforscher Jehmlich. Es werde bestimmt noch zehn bis fünfzehn Jahre dauern, bis es so etwas gebe. Noch schwörten chinesische Konsumenten auf den Look aus dem Westen. Zumal Chinas Designer im Westen und damit zwangsläufig eine "westliche Designsprache" lernten.

Sieht die globale Alltagswelt bald chinesisch aus?

Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" waren es Chinesen, die bei der Entstehung der weltweit erfolgreichen McDonald's Werbekampagne tatkräftig mitgeholfen haben: "I'm lovin' it!", "Ich liebe es!" frohlockte es vor einigen Jahren unisono um den Erdball, wo immer Hamburger der US-Kette beworben wurden. Und auch das Handy zum Aufklappen hatten wir demnach den Chinesen zu verdanken. Verliert der Westen also das "Gestaltungsmonopol für die Alltagswelt", wie es das deutsche Blatt zuspitzt?

Dirk Jehmlich bezweifelt, dass die westliche Warenwelt bald anders aussehen wird. Auch iF-Geschäftsführer Ralph Wiegmann wiegelt ab: "Da müssen wir uns keine Sorgen machen." Nach wie vor sei China eher Nachahmer und Nachzieher als Innovator. Das bedeute jedoch nicht, dass es sich westliche Designer gemütlich machen dürften.