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Charisma hält jung

Heinrich Bergstresser21. Juli 2003

Am 18. Juli 2003 feierte Nelson Rolihlahla Mandela seinen 85. Geburtstag. Er war der erste schwarze Präsident Südafrikas und bekam den Friedensnobelpreis. Mandela gilt bis heute als Symbolfigur der Versöhnung.

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Nelson Mandela: Drei Tage Geburtstagsfeier in SüdafrikaBild: AP

Der wohl berühmteste Häftling auf dem afrikanischen Kontinent hatte nach seiner Haftentlassung 1990 den Traum vieler Südafrikaner erfüllt: Nach 27 Jahren Haft setzte der physisch und psychisch ungebrochene Mandela an der Spitze des African National Congress (ANC) seinen Siegeszug fort, den das weiße Minderheitsregime mit der Inhaftierung des brillanten Rechtsanwaltes und Anti-Apartheid-Kämpfers Anfang der 1960er Jahre brutal unterbrochen hatte.

1993 erhielt Nelson Mandela den Friedensnobelpreis, im Jahr darauf, am 10. Mai 1994, wurde er mit einer glanzvollen Amtseinführung in Pretoria zum ersten schwarzen Präsidenten Südafrikas vereidigt. Mandela reichte den Weißen die Hand zur Versöhnung, statt ihnen die Faust zu zeigen, trotz eines politischen Klimas, das von Gewalt, gegenseitigen Beschuldigungen und Vertrauenskrisen geprägt war.

Hand statt Faust

Vor die Wahl zwischen Kompromiss und Bürgerkrieg gestellt, entschlossen sich Mandela und der damalige Präsident Südafrikas, Frederik Willem de Klerk, der die Freilassung Mandelas durchgesetzt hatte, einen blutigen Konflikt zu vermeiden.

Mandela hatte während der langen Haft gelernt, seine Gefühle zu kontrollieren, in historischen Zusammenhängen zu denken, und von den Dogmen der Vergangenheit Abstand zu gewinnen. Dies erklärt, warum er die Entscheidung traf, seinen politischen Gegenspieler de Klerk, den damaligen Vorsitzenden der die Apartheid verkörpernden National Party (NP), zunächst als Zweiten Vize-Präsidenten in die Regierung der Nationalen Einheit einzubinden.

Grenzenlose Erwartungen

Die Erwartungen der schwarzen Südafrikaner an Mandela waren anfangs grenzenlos. Denn für sie war er ein Messias, der den unterdrückten und verarmten Massen auf dem Land und in den Townships - den verarmten Vororten der Großstädte - binnen kurzem Häuser mit Wasser- und Stromversorgung bringen würde. Der schnelle Wandel blieb aber aus, zu stark hatten sich mehr als 40 Jahre Apartheid im Wirtschafts- und Gesellschaftssystem Südafrikas eingegraben. Aber trotz der schlechten Voraussetzungen haben heute mehr Menschen als je zuvor ein Dach über dem Kopf und Zugang zu Wasser und Elektrizität.

In Südafrika verkörpert Mandela die Wünsche und Sehnsüchte der Menschen nach nationaler Identität in einer zutiefst gespaltenen Gesellschaft. Er glaubte auf dem Höhepunkt seiner politischen Karriere am Horizont eine versöhnte, multikulturelle "Regenbogen-Nation" zu sehen. Doch die Realität lässt sich bestenfalls als überwiegend friedliche Koexistenz beschreiben. Diese Erkenntnis, sein fortgeschrittenes Alter, und die Begegnung mit seiner zweiten Lebensgefährtin Graca Machel haben Mandelas Entscheidung maßgeblich beeinflusst, frühzeitig auf eine Wiederwahl zu verzichten.

Mann der klaren Worte

Als Symbol der Versöhnung und Hoffnung war und ist Mandela aber auch ein Mann der klaren Worte. Das musste nicht nur Bill Clinton bei seinem Staatsbesuch als Präsident erfahren, als Mandela ihn damals öffentlich wegen der Isolierung Kubas, Libyens und Irans tadelte. Auch George Bush und Tony Blair kamen nicht ungeschoren davon. Öffentlich prangerte Mandela noch vor dem Krieg die beiden wegen deren Irak-Politik und der Schwächung der Vereinten Nationen an: "Bush wie auch Blair unterwandern eine Idee, die ihre Vorgänger so gefördert haben. Ihnen ist es wohl egal. Ist es vielleicht deshalb so, weil der Generalsekretär der Vereinten Nationen ein Schwarzer ist?"

Und in Folge des Irak-Krieges legte er Wert darauf zu betonen, auf keinen Fall mit Bush während seines Staatsbesuchs in Südafrika zusammentreffen zu wollen. Trotz seines Charismas konnte Mandela auf dem afrikanischen Kontinent außenpolitisch kaum etwas bewegen, weder als Präsident noch als Vermittler im Ruhestand. Für die Jugend Afrikas aber verkörpert er den seltenen Typ des Politikers, der legal an die Macht gekommen ist, Charisma besitzt und Traditionen respektiert. Sein politisches Vermächtnis und sein Glaube an Gerechtigkeit und Versöhnung werden über Afrika hinausstrahlen.