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Change - Die neue US-Position in Sachen Finanzmarkt-Regulierung

25. März 2009

"Deregulierung" war jahrelang die Devise für den US-Finanzmarkt. Aufsicht galt als Eingriff in die Marktwirtschaft und schädlich. Doch angesichts der derzeitigen Wirtschaftskrise findet ein Umdenken statt.

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Symbolbild US-Flagge
Bisher ließen die USA der Marktwirtschaft freien LaufBild: AP
Alan Greenspan bei einer Bankenkonferenz am 20.30.2009 in Acapulco, Mexico mit hochgestrecktem Daumen (Foto: dpa)
Der ehemalige US-Notenbankchef hat die Fähigkeit des Marktes überschätzt, sich selbst zu regulierenBild: picture-alliance/ dpa

Es war im Oktober 2008, der Dow Jones befand sich im freien Fall, als Alan Greenspan sein Erstaunen angesichts der weltweiten finanziellen Entwicklung kund tat. Er habe offensichtlich die Fähigkeit des Marktes überschätzt, sich selbst zu regulieren, sagte er in einer Anhörung im US-Kongress. Greenspan war zwar schon seit drei Jahren nicht mehr Chef der US-Notenbank, aber unter seiner Aufsicht hatte die Deregulierung stattgefunden, die mit verantwortlich war für die Krise großer Finanzinstitute wie Fannie Mae, Freddie Mac und AIG.

Wenn Deregulierung nicht funktioniert hat, dann ist der Umkehrschluss: mehr Regulierung ist nötig. Finanzexperten in den USA aber sagen: Eigentlich gibt es schon genügend Regeln und Gesetze. So erklärte Sheila Bair, Vorsitzende der Federal Deposit Insurance Corporation - dem Äquivalent zur deutschen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht - in einer Senatsanhörung, es gebe Löcher in den Regelwerken.

Das System habe versagt und es sei nicht gelungen, die Risiken im Griff zu behalten und den Markt zu stabilisieren. Aber eigentlich, so Bair, hätten die Aufsichtsbehörden schon genügend Macht, um schädigende Aktivitäten zu begrenzen. "Die bittere Wahrheit ist", erklärte sie, "dass viele der wichtigen Finanzinstitute, die Hilfe vom Staat in noch nie dagewesener Höhe benötigt haben, bereits unter umfangreicher staatlicher Aufsicht standen." Nicht nur Bair zweifelt deswegen daran, dass es ausreicht, einen neuen Aufsichtsposten für systemische Risiken zu schaffen.

Die Fed als Oberaufseher?

Ben Bernanke (Foto: AP)
Ben Bernankes Devise: Erst bei Schwierigkeiten helfenBild: AP

Ein solcher Aufseher für große Finanzinstitute, deren Konkurs das ganze System beeinträchtigen würde, scheint das Mittel der Wahl. Er soll bei Problemen auch eingreifen können. Aber: Wer soll diese Rolle übernehmen? Viele rufen nach der Federal Reserve, der amerikanischen Notenbank. Finanzexperte Christian Weller vom liberalen Center of American Progress allerdings bezweifelt, dass die Fed dieser Aufgabe gerecht wird. Sowohl Alan Greenspan als auch Ben Bernanke hätten als Chefs der Fed in der Vergangenheit erst eingegriffen, wenn Firmen bereits in Schwierigkeiten waren. Ben Bernanke habe diese Politik noch Ende 2008 vertreten. Doch diese fehlende Vorbeugung habe zu der jetzigen Krise geführt: "Und das ist die große Angst, dass man einer Behörde, in diesem Fall der Federal Reserve Bank, mehr Macht gibt, und sie diese dann nicht ausnützen will."

Doch Fed-Chef Ben Bernanke macht in diesen Wochen in Washington klar, dass er den Wechsel will. Er ist, so kann man das wohl nennen, auf einer Art Werbetour für die Fed und präsentiert sich ungewöhnlich offen. Der Mann, dessen Worte allein genügen, um die Wall Street zu erschüttern, hat zum ersten Mal überhaupt ein Fernsehinterview gegeben. Auch er sei wütend, sagte er, wenn er an die AIG denkt, den größten Versicherungskonzern, der ohne staatliche Hilfe Pleite gegangen wäre.

Im Council of Foreign Relations, einer der Washingtoner Denkfabriken, erklärte Bernanke seine Vorstellungen, um eine Wiederholung der Krise in Zukunft zu verhindern. Dazu, so Bernanke, seien umfassende Veränderungen im amerikanischen Finanzsystem nötig: "Wir brauchen eine Strategie, die das Finanzsystem insgesamt reguliert und nicht nur die einzelnen Teile." Regulierung und Aufsicht von Bankinstitutionen sei zwar notwendig, um systemische Risiken zu vermindern, aber sie reichten allein nicht aus, um das Ziel zu erreichen.

Finanzinstitute dürfen nicht zu groß werden

Einkaufszentrum in Queens, New York (Foto: dpa)
Die Marktregeln müssen auch unter Druck funktionierenBild: picture-alliance/ dpa

"Als erstes", so Bernanke, "müssen wir das Problem jener Finanzinstitute angehen, von denen man sagt, dass sie zu groß sind und zu weit verzweigt, um sie Pleite gehen zu lassen." Diese so genannten "too big to fail"-Firmen sind allen Finanzexperten ein Dorn im Auge. Es dürfe nicht sein, dass ein Finanzinstitut darauf spekuliert, dass die Regierung es wegen seiner schieren Größe nicht fallen lässt, sagt auch James R. Barth. Er war unter anderem unter den Präsidenten Ronald Reagan und George Bush senior Chefökonom der Bundesaufsichtsbehörde für das Spar- und Kreditwesen und erklärt: "Wenn die Institute wachsen, muss man sicher stellen, dass auch ihr Kapitalstock wächst. Denn mit mehr Kapital können sie Verluste besser verkraften."

Doch der Fed-Chef will noch mehr verändern. Es müsse sicher gestellt werden, dass die Marktregeln auch unter Druck funktionieren, und sie müssten negative wie positive Tendenzen ausgleichen und dürften sie nicht auch noch verstärken. Das alles soll im amerikanischen Markt umgesetzt werden. Und Präsident Barack Obama kündigte auch noch eine internationale Koordination an: "Das muss nicht unbedingt durch eine Superbehörde geschehen. Aber wir müssen uns bemühen, dass, wenn wir an der Wall Street etwas für Transparenz, Offenheit und Vertrauen tun, in London und anderen Finanzmärkten das gleiche geschieht." Ziel sei ein stabiles globales Finanzsystem.

Weltweit die gleichen Regeln?

Doch so schnell wird es nicht zu einer weltweiten Gleichschaltung von Regeln unter einer Aufsicht kommen, bremsen Experten wie Christian Weller. Er sagt, in den USA sei man erst am Anfang einer großen Umwälzung: "Solche Dinge, das hat man auch in den 80er Jahren gesehen, schwingen nur ganz langsam von einer Seite auf die andere." Den Stimmungsumschwung gebe es zwar bei beiden amerikanischen Parteien, aber angesichts des verzettelten amerikanischen Finanzsystems müsse man erst einmal überlegen, welche Art der Aufsicht die vernünftigste sei. Das könne Jahre dauern. Es ist also unwahrscheinlich, dass die Amerikaner auf dem G20-Gipfel diesen Überlegungen vorgreifen werden.

Autorin: Christina Bergmann, Washington, DC

Redaktion: Julia Elvers-Guyot