1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Cameron verärgert europäische Partner

24. Januar 2013

Großbritannien stand immer schon mit einem Bein außerhalb der Europäischen Union. Jetzt hat Premier Cameron mit der Ankündigung einer Volksabstimmung über den Verbleib seines Landes in der EU die Partner aufgeschreckt.

https://p.dw.com/p/17QXw

Auf dem Kontinent wird die Europarede des konservativen britischen Regierungschefs David Camerons einerseits als innenpolitisches Wahlkampfgetöse kritisiert, andererseits gibt es auch Warnungen vor der Sprengkraft des Vorhabens. Die Reaktionen bei den europäischen Partnern reichen von Empörung und Verärgerung bis hin zu Aussagen wie "riskantes Spiel mit dem Feuer" und "Drohung an Europa".

Deutliche Worte fand EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). Cameron wage "ein gefährliches Spiel aus taktischen, innenpolitischen Gründen", warnte er im deutschen Fernsehen. Wer sich aus den EU-Verträgen ein individuelles Menü zusammenstelle, schaffe damit einen riskanten Präzedenzfall, der zum Zerfall der Union führen könne. "Das war eine nach innen gerichtete Rede, die Europas Realität verkennt und nicht viele von Großbritanniens Partnern beeindrucken dürfte." Der Premier sei "ein Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nicht mehr beherrscht", kritisierte Schulz.

Deutschland und Frankreich reagierten zurückhaltend. Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte Großbritannien zum Verbleib in der EU auf und verlangte Kompromissbereitschaft in der EU-Reformdebatte. "Europa bedeutet auch immer, dass man faire Kompromisse finden muss", betonte sie. "In diesem Rahmen sind wir natürlich bereit, auch über britische Wünsche zu sprechen", aber auch andere Länder hätten Wünsche. Außenminister Guido Westerwelle sagte, nicht alles müsse in oder von Brüssel entschieden werden. "Aber eine Politik des Rosinenpickens wird nicht funktionieren."

Briten diskutieren über Europa

Frankreichs Präsident François Hollande äußerte die Hoffnung, dass die Briten im Fall des Falles für den Verbleib in der EU stimmten: "Das Europa, an das wir glauben, ist ein Pakt der Solidarität, und die Solidarität gilt für alle Mitgliedstaaten", sagte seine Sprecherin. Der französische Außenminister Laurent Fabius griff zu einem sportlichen Vergleich: Wenn man einem Fußballverein beitrete, könne man nicht auf einmal sagen, dass man jetzt Rugby spielen wolle. Auch Spitzenpolitiker aus Spanien, Schweden, Finnland und anderen EU-Ländern reagierten pikiert auf Camerons Europarede.

Die EU-Kommission äußerte sich diplomatisch. Die Behörde wertete die Rede Camerons als "wichtigen Beitrag zur demokratischen Debatte in Großbritannien über Europa". Man hoffe, dass die "interne Debatte" sich vor allem "auf die Substanz unserer derzeitigen Beziehung" und die Vorteile der EU-Mitgliedschaft konzentriere, sagte eine Sprecherin.

Die deutsche Wirtschaft sparte nicht mit Warnungen vor einem möglichen Rückzug Großbritanniens aus der Europäischen Union. Aus Sicht des Industrieverbandes BDI führt der europapolitische Kurs von Premierminister Cameron geradewegs in die Sackgasse.

Kritik auch im eigenen Land

In der mit Spannung erwarteten europapolitischen Grundsatzrede hatte Cameron am Mittwoch seinen Landsleuten ein "Rein-Raus-Referendum" versprochen. Er begründete den Schritt mit der EU-Unzufriedenheit der Briten, die auf einem "Allzeithoch" sei. Falls er im Jahr 2015 wiedergewählt werde, wolle er die Briten bis 2017 über den Verbleib in der EU abstimmen lassen, sagte Cameron. Bis dahin will er die anderen EU-Mitglieder zu weitreichenden Zugeständnissen zwingen - und wichtige Kompetenzen nach London zurückholen.

Applaus bekam der Tory-Chef vom rechten Flügel seiner Partei. Heftige Kritik kam von der Opposition. Seine Strategie könnte nach hinten losgehen, so die Warnung. Oppositionsführer Ed Miliband von der Labour-Partei nannte die Pläne ein "riesiges Glücksspiel". Ähnlich sieht das der liberaldemokratische Koalitionspartner Camerons: Jahre der Unsicherheit seien nicht im nationalen Interesse und schadeten Wirtschaftswachstum und Arbeitsmarkt, sagte Parteichef Nick Clegg.

qu/wa (dpa, dapd, rtr, afp)