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Ein Brasilianer in Deutschland

19. Mai 2010

Dass er Fussballer werden würde, wusste Claudiomir Jerônimo Barreto schon immer. Dass er Deutscher werden würde - damit hätte der gebürtige Brasilianer nie gerechnet. Nun fährt Cacau mit Löw's Elf nach Südafrika.

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Cacau nach seinen zwei Treffern im Länderspiel Deutschland-MaltaBild: picture-alliance/augenklick/firo Sportphoto
DW-WORLD: An einer Weltmeisterschaft teilzunehmen, davon träumt bestimmt jeder Fussballer. Aber als Kind hatten Sie dabei sicher noch ein anderes Trikot vor Augen...?

Cacau: Meine Lebensumstände haben sich natürlich verändert. Ich wohne schon seit zehn Jahren in Deutschland und dass ich jetzt die Gelegenheit habe, für Deutschland an der WM teilzunehmen, das macht mich sehr glücklich. Ich freue mich, zu dem Team zu gehören, das in Südafrika Deutschland repräsentieren wird. Ich fühle mich absolut als Deutscher, wenn es darum geht, dorthin zu fahren und mein Land zu vertreten.

Wie hat sich dieses Gefühl entwickelt? Wie sind Sie, geboren und aufgewachsen in Brasilien, innerhalb von zehn Jahren zum Deutschen geworden?

Ich bin im Jahr 2000 nach Deutschland gekommen, um in München in der fünften Liga zu spielen (für den Verein Türk Gücü). Da bin ich durch mein ausgezeichnetes Spiel aufgefallen. Ich bin dann nach Nürnberg gegangen, zu den Amateuren. Wir spielten damals in der vierten Liga. Aber ich bin später in die erste Mannschaft aufgestiegen und habe in der Bundesliga gespielt, wo ich mich beweisen konnte.

Fußball Länderspiel - Deutschland gegen Malta
Löw: "Kein Zufall, dass Cacau im Kader steht"Bild: picture alliance / dpa

Danach bin ich nach Stuttgart gewechselt, wo ich nun schon seit sieben Jahren arbeite. Ich habe gut gespielt und viel Erfolg gehabt, so habe ich mich in der Bundesliga empfohlen. Im letzten Jahr habe ich die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Meine Frau und ich haben lange darüber gesprochen und kamen zu dem Ergebnis, dass es für uns als Familie gut wäre, unseren Kindern diese Chance zu eröffnen, falls sie in Zukunft hier studieren oder leben möchten. Zwei Monate später habe ich erfahren, dass Joachim Löw mit mir sprechen möchte. Er hat mich dann gefragt, ob ich für die deutsche Nationalmannschaft spielen möchte.

Haben Sie gleich zugesagt, oder mussten Sie erst darüber nachdenken?

Es war ein Prozess. Es war ja schon darüber spekuliert worden, und dann fängt man schon an, darüber nachzudenken, ob man das wollen würde und ob es von Herzen käme. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es wirklich das war, was ich gern wollte. Ich fühle mich hier in Deutschland zu Hause, zusammen mit meiner Familie, und es wäre eine Ehre für mich, in der deutschen Nationalmannschaft zu spielen.

Wie stehen die deutschen Fans zu Ihnen?

In der Region Stuttgart, wo ich lebe, sind die Fans mir gegenüber sehr positiv eingestellt, auch weil ich für ihre Stadt spiele. In der Nationalmannschaft hatte ich bisher ebenfalls nur gute Erfahrungen. Über die Beziehung zu den Fans kann ich nur Gutes sagen. Was ich hier erlebe, ist wirklich etwas Besonderes.

Erweiterter deutscher WM-Kader für Südafrika Flash-Galerie
Der erweiterte WM-Kader für Südafrika.Bild: picture alliance/dpa

Vor Ihnen waren auch schon andere in Brasilien geborene Spieler in der Nationalmannschaft (Paulo Rink und Kevin Kuranyi). Aber Sie sind der erste, der bei einer WM mitspielen wird...

Es ist schwer zu sagen, welche Rolle die anderen gespielt haben. Ich weiß nicht, ob es da irgendeinen Einfluss gab, allein weil der Vorstand und die technische Kommission oft wechseln. Fakt ist, dass Deutschland viel für die Integration von Ausländern aus verschiedenen Ländern getan hat, die hier aufgewachsen sind und hier leben. Deutschland hat diesen Menschen viele Chancen eröffnet, nicht nur den Fußballspielern, sondern der Bevölkerung im Allgemeinen. Deutschland ist zu einem multikulturellen Land geworden, und es ist klar, dass sich das in der Nationalmannschaft widerspiegelt. Zum Team gehören Spieler mit Wurzeln in der Türkei, Tunesien, Serbien, Brasilien... Unterschiedliche Kulturen treffen hier aufeinander. Ich denke, diese Entwicklung in der Nationalmannschaft spiegelt die Entwicklung im Land wieder.

Wie steht es um den Konkurrenzkampf im Angriff? Sechs Stürmer sind nominiert, und einer muss eventuell zuhause bleiben. Podolski und Klose sind bei Löw Stammspieler. Wie sehen Sie Ihre Chancen gegen Kießling, Müller und Gomez?

Das ist schwer einzuschätzen. Ich hoffe, dass ich wegen meiner guten Leistung im Training und bei Freundschaftsspielen große Chancen habe, in der Nationalelf zu bleiben. Vor kurzem stand in der Presse, dass der Trainer gesagt habe, alle sechs Stürmer würden zur WM fahren. Wenn das tatsächlich so ist, wäre das etwas sehr Besonderes, und ich würde mich wirklich freuen.

Was erwarten Sie bei der WM von Deutschland?

Es sind noch viele andere sehr gute Mannschaften dabei. England, Italien, Frankreich, Argentinien, Spanien und Brasilien sind die größten Favoriten, und Deutschland gehört auch dazu. Ich denke, wenn wir gut spielen und als Gruppe zusammenwachsen – das ist eine Stärke der deutschen Mannschaft – dann haben wir gute Chancen ins Finale zu kommen und den Titel zu holen.

Und wenn im Finale Brasilien und Deutschland gegeneinander spielen?

Das wäre ein sehr emotionales Spiel, in dem ich 100 Prozent geben würde, und ganz klar auf einen Sieg der deutschen Mannschaft hoffen würde.

Als Claudiomir Jerônimo Barreto am 27 März 1981 in Santo André im brasilianischen Bundesstaat São Paulo geboren. Heute, 29 Jahre später, gehört Cacau zum vorläufigen WM-Kader von Joachim Löw und hat gute Chancen, bei der WM 2010 für Deutschland zu spielen.

Interview: Tadeu Meniconi

Redaktion: Anne Herrberg