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Bürger gegen die Präsidentin

Marc Koch8. November 2012

Hunderttausende Argentinier haben sich zu Großdemonstrationen im ganzen Land getroffen. Sie protestieren gegen Cristina Fernández de Kirchner, der sie eine populistische Polarisierung vorwerfen.

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Blick auf die Casa Rosada (offizieller Sitz des amtierenden Präsidenten) an der Plaza de Mayo in Buenos Aires, aufgenommen am 16.11.2008. Im Großraum um die argentinische Hauptstadt leben gut 13 Millionen Menschen. Foto: Jan Woitas
Buenos Aires Casa RosadaBild: picture-alliance/dpa

Trotz des strahlenden Frühlingswetters hängen dunkle Wolken über Argentinien - symbolisch zumindest. Denn das Land ist tief gespalten.

Fast täglich bejubeln die Einen fahnenschwenkend die vermeintlichen Wohltaten der Regierung von Präsidentin Cristina Kirchner. Wie die Verstaatlichung des größten Ölkonzerns des Landes. Oder die Abschottung der eigenen Wirtschaft gegen ausländische Konkurrenz. Die Anderen schlagen nachts vor dem Präsidentenpalast auf Töpfe und Pfannen und protestieren lautstark gegen Populismus, Korruption und Staatsdirigismus. Viele sehen inzwischen die bürgerlichen Freiheiten in Gefahr, wie der Schriftsteller und Journalist Marcelo Birmajer: "Ich wollte da mitmachen, weil ich glaube, dass es Angriffe der Regierung auf die freie Meinungsäußerung gibt. Ich arbeite auch für Zeitungen, also lebe ich auch von der Meinungsfreiheit. Ich brauche sie, um zu leben“.

Drohungen und Diffamierungen

Nur wenige Bürger, die an den nächtlichen "cacerolazos", den Protesten mit Töpfen und Pfannen, teilnehmen, trauen sich, mit Journalisten zu reden. Sie haben Angst vor Angriffen der regierungsnahen Presse. Zurecht, sagt Marcelo Birmajer: "Du wirst in den landesweit übertragenen Reden der Präsidentin attackiert. Sie schicken Dir die AFIP, die Steuerpolizei, auf den Hals. Ihre Medien machen Dich immer wieder lächerlich und stellen Dich bloß. Das macht natürlich Angst."

Wer Behörden oder die Regierungspolitik kritisiert, wird zum Gegner erklärt, der Argentinien schadet. Regierungsmitglieder diffamieren die protestierenden Bürger als Rechtsextreme, Egoisten und ewig Gestrige. In den sozialen Netzen tobt eine erbitterte Schlacht zwischen Befürwortern und Gegnern der Regierung. Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner erklärte vor kurzem in einer Rede: "Man muss nur Gott fürchten. Und mich, ein bisschen.“ Was als selbstbewusste Rhetorik für die eigenen Anhänger gemeint ist, klingt für viele Argentinier wie eine Drohung.

Argentine President Cristina Kirchner delivers a speech announcing a new bill to improve industrial accidents compensations and two decrees, one for the creation of profit-less insurance company and the other for changeable deductions on bio-diesel exportation, at the government palace in Buenos Aires on September 19, 2012. AFP PHOTO / Juan Mabromata (Photo credit should read JUAN MABROMATA/AFP/GettyImages)
Präsidentin Cristina Fernández de KirchnerBild: AFP/Getty Images

Angst um die Demokratie

Besonders Maßnahmen, wie das Verbot, unbegrenzt US-Dollars zu erwerben, empfinden viele Bürger als undemokratisch. Sie sind verunsichert, weil sie dem Peso, der Landeswährung, nicht vertrauen. Für Ersparnisse, aber auch für Immobiliengeschäfte ist der US-Dollar schon lange die Leitwährung in Argentinien.

Für die Regierung werden die Proteste von der Opposition gesteuert. Die Demonstranten bestreiten das. Sie seien parteipolitisch völlig unabhängig. Der Schriftsteller Marcelo Birmajer glaubt, die Opposition sei gar nicht in der Lage, sich die Demonstrationen zunutze zu machen: "Ich sehe niemanden in der Opposition, der eine breite Basis in der Bevölkerung hätte. Es gibt da sicher mehrere Führungskräfte, aber keiner ist momentan in der Lage, die Interessen der Menge zu bündeln und einen Wechsel einzuleiten.“

Die nächste Demonstration wurde über soziale Netzwerke und E-Mails organisiert. Landesweit sollte sich eine Million Menschen an zentralen Plätzen treffen. Das wären so viele wie nie zuvor. Und ein weiterer Beleg für die Spaltung Argentiniens.