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Bushs schöne Worte

Rainer Sollich7. November 2003

US-Präsident George W. Bush hat in einer Grundsatzrede erklärt, die Politik der Unterstützung autoritärer Regimes sei gescheitert. Bahnt sich ein Kurswechsel der US-Außenpolitik an? Rainer Sollich ist skeptisch.

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George W. Bushs Zukunftsvision für Nahost hört sich - erst einmal - gar nicht so schlecht an. Denn der amerikanische Präsident hat ja ganz eindeutig Recht, wenn er eine Demokratisierung in der Region anmahnt. Ohne mehr Demokratie und Pluralismus werden viele arabische Staaten auf absehbare Zeit keinen Anschluss an die Moderne finden - und die jeweiligen Regierungen nicht zur erhofften Legitimität und Stabilität. Auch ein UN-Bericht hat kürzlich festgestellt, dass die Rückständigkeit der arabischen Welt größtenteils hausgemacht ist.

Viele Araber und Muslime dürften Bush auch zustimmen, wenn er sagt, dass Demokratie nicht mit dem westlichen oder gar amerikanischen System gleichzusetzen sei. Sie ist nach seinem Verständnis auch in islamischen Ländern möglich. - Auch hier kann man Bush nur Recht geben. Und es ehrt ihn auch, dass er zugegeben hat, dass die amerikanische Politik in Nah- und Mittelost früher ganz andere Prioritäten verfolgt hat als flächendeckende Demokratie-Förderung.

Aber: Haben sich die amerikanischen Prioritäten in der Region wirklich derart grundsätzlich verschoben? Das muss schon aus wirtschaftlichen Gründen bezweifelt werden. Natürlich, der Befund stimmt: Eine "Vorwärtsstrategie" der Demokratie und Freiheit dürfte dem Nahen Osten langfristig mehr Stabilität bescheren als die Kooperation mit korrupten Regimes, die sich den USA zwar als "moderate Partner in der islamischen Welt" andienen, die aber daheim ganz ungeniert ihre Bürger unterdrücken.

Nur: Die amerikanische Wirtschaft ist und bleibt auf absehbare Zeit von der Ölzufuhr aus dem Nahen Osten abhängig. Und in einer Region, in der anti-amerikanische Ressentiments weiter verbreitet und vor allem auch tiefer verwurzelt sind als anderswo, könnten sich Demokratisierungs-Experimente schnell als Risiko herausstellen.

Eine entscheidende Frage lautet: Würden die USA - beispielsweise im Irak oder in Saudi-Arabien - auch eine demokratisch legitimierte Regierung akzeptieren, die ganz demokratisch beschließt, ihr Öl lieber anderswohin zu verkaufen? Hier ist doch Skepsis angebracht.

Eines sollte Bush nicht vergessen: Einen Ruf als Vorbild oder ehrlicher Partner müssen sich die USA in dieser Region erst noch erarbeiten. Im Irak sind sie mit ihren hehren Ansprüchen bisher weitgehend gescheitert. Das völlig korrupte islamistische Regime in Saudi-Arabien dagegen wird bis heute verschont. Und, besonders fatal: Washington lässt bisher keinerlei ernsthafte Anstrengungen zugunsten eines fairen Ausgleichs zwischen Israel und den Palästinensern erkennen. Das aber wäre bitter nötig, um in Nahost wenigstens Offenheit für amerikanische Zukunftsvisionen zu schaffen.