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Bush in der Defensive

29. März 2004

Die Kirschblüten blühen jetzt in Washington, aber für George W. Bush bleibt der Frühling frostig. In den letzten vier Monaten ist der Präsident heftiger denn je unter Beschuss geraten, meint Kommentator Daniel Hamilton.

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Die Kritik nimmt zu - sei es wegen außenpolitischer Probleme wie wachsende Herausforderungen in Irak und die Gewaltspirale im Nahen Osten oder wegen innenpolitischer Probleme wie noch größeren Haushalts- und Handelsdefiziten oder steigendem Arbeitsplatzabbau trotz wirtschaftlichem Aufschwung. Der böse Witz kursiert, dass unter George W. Bush mehr Schwulenehen als Jobs geschaffen wurden.

Bekannter Film?

In dieser Woche kam noch ein Schlag: Sein ehemalige Terrorabwehr-Berater, Richard Clarke, ist mit einem neuen Buch und mit massiven Vorwürfen gegen die Regierung Bush an die Öffentlichkeit getreten. Am Mittwoch (24.3.2004) sagte Clarke vor dem unabhängigen Untersuchungsausschuss zu den Anschlägen vom 11. September, dass sich Bush von Anfang an auf den Irak konzentriert und dadurch die Terrorbedrohung außer Acht gelassen habe. Während für Bill Clinton der Kampf gegen den Terrorismus oberste Priorität gehabt habe, sei dieser Aspekt für Bush zwar wichtig, aber nicht dringlich gewesen, erklärte Clarke.

Während Clarkes Äußerungen für Furore sorgten, kam der demokratische Kandidat, Senator John F. Kerry, aus dem Urlaub nach Washington zurück, um die Unterstützung seines ehemaligen Konkurrenten Howard Dean einzuholen. Ein ungewöhnliches Bild: Die streitlustigen Demokraten sind gefasst, die strammen Republikaner streiten sich. Sogar die Mutter von George W. Bush und Ehefrau des ehemaligen US-Präsidenten George Herbert Walker Bush kommentierte: "Ich fühle mich, als ob ich diesen Film schon einmal gesehen habe."

Wo bleibt die Glaubwürdigkeit?

Kerry scheut sich nicht, Bush auch im außenpolitischen Bereich scharf zu kritisieren. Die Bush-Mannschaft, so Kerry, sei "von Amerikas herausragender Macht berauscht" und habe Kernprinzipien amerikanischer Außenpolitik den Rücken gekehrt, Dazu gehörten der Glaube an die kollektive Sicherheit, Respekt vor internationalen Institutionen und Recht, multilateralistisches Engagement und die Anwendung von Gewalt als letzter - nicht erster - Instanz. Kerry hat sogar behauptet, er sei der Lieblingskandidat der Europäer, obwohl kein europäischer Regierungschef es wagt, sich so deutlich in der Öffentlichkeit zu äußern.

Kerrys Behauptung wurde aber durch eine neue Meinungsumfrage der "Pew Center for the People and the Press" bestärkt. Ein Jahr nach Beginn des Irak-Kriegs habe der internationale Unbehagen mit der US-Regierung und ihrer Politik sogar noch zugenommen. In weiten Teilen der Welt sei die Glaubwürdigkeit der US-Regierung brüchig. Und Mehrheiten in Deutschland, in der Türkei und Frankreich – und die Hälfte der Briten und Russen – seien der Meinung, dass der Krieg gegen den Irak den Kampf gegen den Terrorismus geschwächt habe.

Die europäische Öffentlichkeit zeige eine differenzierte Perspektive gegenüber dem amerikanischen Volk einerseits und der amerikanischen Regierung andererseits. Die Meinungen seien überwiegend positiv über die US-Amerikaner an sich aber überwiegend negativ in der Bewertung der Bush-Regierung.

Anscheinend hat Europa schon gewählt Der Wahlausgang scheint offener zu sein, als viele vor einigen Monaten dachten.

Dr. Daniel Hamilton ist Direktor des Center for Transatlantic Relations an der Johns Hopkins University in Washington D.C.