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Burkhard Ulrich: "Wir haben uns köstlich amüsiert"

Rick Fulker / sc20. August 2013

Burkhard Ulrich verkörpert bei den Bayreuther Festpielen die Rolle des Mime. Der erfahrene Tenor erzählt von den Proben zur "Rheingold"-Inszenierung und den unterschiedlichen Aufgaben eines Sängers.

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Burkhard Ulrich in der Rolle des Mime in "Rheingold" (Foto: Bayreuther Festspiele/ Jörg Schulze)
Bild: Bayreuther Festspiele/Jörg Schulze

Deutsche Welle: Sänger sind nicht unbedingt Schauspieler, trotzdem müssen Sie auf der Bühne beide Rollen bewältigen. Hat der Regisseur Ihnen geholfen, in die Figur reinzuwachsen?

Burkhard Ulrich: Da muss ich Ihnen gleich widersprechen: Ich finde tatsächlich, dass Musiktheater zu einem guten Prozentsatz auch Schauspiel bedeutet. Es ist schade, dass das leider viel zu oft nicht zur Geltung kommt. Da ist es natürlich ein gefundenes Fressen, mit Frank Castorf zusammenarbeiten zu können. Er ist ja Schauspiel-Regisseur, und das war eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit, weil er uns als Schauspielkünstler sehr ernst nahm.

Sie müssen auf den Taktstock des Dirigenten achten, gleichzeitig die schweren Wagnertexte beherrschen und außerdem ein Stück weit improvisieren. Wie schaffen Sie das alles zusammen?

Zum Punkt Musik und Text: Da kann man nicht viel drüber nachdenken; das muss man tatsächlich können, das muss einem in Fleisch und Blut übergegangen sein, denn dann erst beginnt so was wie eine musikalische Interpretation. Natürlich gibt es da die Vorstellung vom Dirigenten, und es gibt es die Vorstellung vom Sänger, aber im Prinzip ist alles durch die Partitur und die Komposition ziemlich festgelegt.

Die Improvisation ist was für die ersten Proben, aber das kann so nicht bleiben, denn Theater, und ganz besonders Musiktheater, ist natürlich die Verabredung. Bei Castorf ist Improvisation tatsächlich Programm. Also jede Probe fing an mit: Wie machen wir es denn?, was übersetzt so viel hieß wie: Wie willst du es denn machen? Castorf fragte uns, damit er sich dann aus dem Fundus, der uns Kraft unserer schauspielerischen Möglichkeiten zur Verfügung steht, bedienen konnte.

Das klingt so, als wäre der Impuls von den Sängern und Schauspielern gekommen und nicht vom Regisseur.

Das ist so nicht richtig. Castorf sagt natürlich schon genau, was er von den Szenen, vom Endergebnis erwartet. Aber er hat die große Gabe, sich das zu nehmen, was er braucht und das wegzuschmeißen, was er nicht braucht. Und das alles so, dass man sich als Darsteller in keinster Weise gegängelt fühlt. Er gibt uns eine große Freiheit, die letztlich aber doch festgeklopft werden muss, damit man sie in Musiktheater umsetzen kann.

Bei "Rheingold" gab es viele gute Gags, die Inszenierung war kurzweilig.

Burkhard Ulrich als Mime im Bayreuther Ring 2013 (Foto: Bayreuther Festspiele)
"Musiktheater ist in erster Linie Theater", sagt Burkhard UlrichBild: Bayreuther Festspiele/Jörg Schulze

Ich freue mich, das zu hören, denn es ist ja mit sehr großer Spannung erwartet worden. Ich habe mal während der Proben mit Norbert Ernst, der den Loge singt, im Zuschauerraum gesessen, und wir haben uns köstlich amüsiert. Ich glaube, die große Leichtigkeit ist auch die Stärke des "Rheingold". Leider sind Opern- und Wagnerfreunde nicht so bewandert mit US-amerikanischen TV Serien; hier gibt es Anspielungen auf die "Sopranos" über die Geschichte eines Mafia-Clans und auf "Breaking Bad" über die Laufbahn eines Kriminellen. Auch die Idee, das "Rheingold" auf die Route 66 auszulagern, hat das gewisse Etwas. Diese Mischung aus diesen beiden TV-Serien, die mit einer unglaublich großen Leichtigkeit eine unfassbar brutale Geschichte erzählen - genau diese Leichtigkeit steht dem Stück sehr gut zu Gesicht.

Wie hat die Zusammenarbeit mit dem russischen Dirigenten Kirill Petrenko geklappt?

Es war eine fantastische Begegnung. Bei der ersten Probe hat es keine 20 Minuten gedauert und ich wusste: Was den Spaß und die Akkuratesse anbelangt, landet er in meinem privaten Ranking unter den Top 3. Es ist wirklich unglaublich, mit was für einer Akribie im positivsten Sinne und mit welch großer Geste er an diesem Stück arbeitet. Selbst jetzt noch, zwischen den einzelnen Aufführungen, weiß ich von seinen Assistenten, dass in den Orchesterstimmen immer noch Fehler korrigiert werden. Jeder andere würde sagen: "Lass mich in Ruhe damit!" - Petrenko bleibt dran.

Ich singe die Partie des Mime seit 1999, das sind ja mittlerweile auch schon 14 Jahre. Bei der Masse von Material schleichen sich schon mal kleine und kleinste Fehler ein, und Petrenko legt immer wieder den Finger in die Wunde. Er sagt: "Pass auf, da ist ein sechszehntel Auftakt und kein Achtel" - und ich sage: "Kirill, ich danke dir sehr, ich hoffe, ich denk ran." Und er sagt: "Macht nichts, wenn du nicht dran denkst, ich denke dran. Ich sage es dir immer wieder." Und genau so passiert es, und deswegen sind auch diese Aufführungen so präzise.

Die Rolle des Mime hat sehr viel Text mit einer Gesangslinie. Einige Sänger keifen oder bellen die Rolle. Sie singen.

Das zu singen ist meine oberste Intention. Man muss bei Wagners Kompositionen - gerade im "Ring" - sehr unterscheiden, welcher Charakter gerade singt. Es gibt einfach unterschiedliche Sprachen, und die Niblungensprache, die der Schmied Mime und der Zwerg Alberich benutzen, unterscheidet sich schon sehr von den lyrischen Rollen. Wenn es letztlich so wird, dass man den Text versteht und dann auch noch die Melodie hört, dann ist es eigentlich gelungen, aber das ist genau die Herausforderung bei solchen Partien. Und es gibt tatsächlich zwei drei Stellen, die versuche ich seit 14 Jahren zu lernen, und ich lerne sie einfach nicht. Da brauche ich dann eine Souffleuse.

"Das Rheingold", 3. Szene: Martin Winkler (Alberich), Norbert Ernst (Loge), und Burkhard Ulrich (Foto: picture-alliance/dpa/Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath)
"Das Rheingold" mit Martin Winkler (Alberich), Norbert Ernst (Loge), und Burkhard UlrichBild: picture-alliance/dpa/Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath

Was wünschen Sie sich von dieser Produktion ?

Ich bin sehr erfreut, dass "Rheingold" sehr gut beim Publikum ankam. Das ist ja keine Selbstverständlichkeit. Ich machte mir aber ehrlich gesagt keine großen Sorgen, weil es in Bayreuth immer Skandalproduktionen gegeben hat, die überlebt haben. Erinnern Sie sich nur an den "Ring" vom Regisseur Patrice Chéreau: Da gab es ein Riesenbuhkonzert direkt danach, und er gilt jetzt als der "Jahrhundertring". Insofern hoffe ich einfach, dass es den Leuten Spaß macht. Das finde ich das Größte, denn genau darum geht's.

Der Tenor Burkhard Ulrich ist seit 2001 festes Ensemblemitglied der Deutschen Oper Berlin. Gastengagements führten ihn unter anderem zu den Salzburger Festspielen, zum Festival d'Aix-en-Provence, an die Opéra National de Paris, zu den Bregenzer Festspielen, zur RuhrTriennale und ans Seoul Arts-Center. Für seine Interpretation des Mime bei den Salzburger Osterfestspielen 2009 wurde ihm höchstes Kritikerlob zuteil.

Das Gespräch führte Rick Fulker