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Ausgehen in Europa: Buntes Nachtleben in Belgrad

18. März 2009

Wenn Radise und Ratko Teovilovic auftreten, dann ist der kleine Saal stets voll besetzt. Die beiden werden "Wunder der serbischen Stimmen" genannt. Das Künstlerhaus liegt an der Skadarlija – dem Montmartre von Belgrad.

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Am Ufer des Flusses Save treffen sich feierlustige BelgraderBild: p-a / dpa

"Wer sich vor einem Streifzug durch Belgrads Nachtleben stärken möchte, der sollte es hier tun", erklärt Radise und zeigt die 200 Meter lange, mit buckligem Kopfstein gepflasterte Gasse hinauf. Eines seiner Lieblingslokale ist das berühmteste Belgrader Gasthaus, das "Tri Sesira" - "Zu den drei Hüten". Es gehörte einst einem Hutmacher und noch heute hängen seine Wahrzeichen, drei bunte, aus Metall gefertigte Hüte, über dem Eingangsportal

"Das ist eine Kult-Gaststätte", erklärt er. "Es gibt hier tolles Essen. Sehr bodenständig, mit Bohnen oder Fleisch vom Grill. Es ist nicht luxuriös, hat aber eine wunderbare Atmosphäre mit hölzernen Bänken." Das "Tri sesira" ist auch bekannt für seine Live-Musik. Überall riecht es nach Gegrilltem, dem beliebten "rostijl" und aus den Räumen dringt die typische "Belgrader Stadtmusik".

Akustische Gitarre wird gespielt
Besonders beliebt ist Belgrader Live-MusikBild: BilderBox

Viele populäre serbische Sänger starteten ihre Karriere auf den Brettern der hiesigen Kneipen, von denen "Tri Sesira" nur die älteste ist. Wenn die Nacht die Skadarlija wie ein schwarzes Tuch umhüllt und die alten Gaslaternen lange Schatten werfen, ist es endlich Zeit zur Save aufzubrechen.

Ende des Turbo-Folk

Gleich hinter der Brankov-Brücke liegen am linken Save-Ufer die Splavovi, wie die Belgrader die schwimmenden Lokale auch nennen. Früher war hier der Turbo-Folk zuhause, der musikalische Background der Milosevic-Ära. Doch das ist längst vorbei. Heute gibt es auf den Schiffen Lounges unter Segeltüchern und futuristisch illuminierte Bars.

In einer von ihnen beginnt Marko Selic seinen Abend. Er macht die "andere" Belgrader Stadtmusik - diejenige, die nicht aus der Skadarlija, sondern aus den Betonschluchten von Neu-Belgrad stammt und heute als neuer Sound Belgrads gilt.

Politischer Hip-Hop

Innenansicht eines Clubs auf einem Schiff in Belgrad (Belgrad-Eye 2006)
Die "Splavovi" sind eine Besonderheit BelgradsBild: Belgrad Eye

Marko Selic ist derzeit einer der angesagtesten Hip-Hop-Stars in der hiesigen Musikszene. Er schreibt Gedichte und arrangiert seine eigene Musik. Entlang der Fensterfronten versinken hunderte junger Leute in tiefen Sesseln und auf der anderen Seite der Save Belgrad in der Schwärze der Nacht.

"Wenn du diese Jugend länger als eine Stunde unterhalten willst, dann musst du dich mit vielen Themen beschäftigen", sagt Marko. "In eine paar Minuten werde ich mit meinen Freunden von der Gruppe 'Belgrad Syndicat' auftreten. Ich glaube, dass wir für die jungen Leute hier vor allem interessant sind, weil wir um politische Themen keinen Bogen machen. Die Inhalte vieler meiner Lieder drehen sich nicht um die Liebe, sondern um die Politik und haben mich zu dem gemacht, was ich jetzt bin."

Ein Schiff für jeden Geschmack

"Wer bietet das meiste bei der Versteigerung der Lügen?", fragen die Jungs von "Belgrad Syndicat" wenig später das Publikum. "Sind es die bestochene Richter in den Nestern der Korruption? All die Steuerbetrüger und Verkäufer heißer Luft. Wie viel sie uns auch bieten, es ist uns zuwenig."

(Belgrad-Eye 2006)
Auf den Schiffen wird bis in den Morgen gefeiertBild: Belgrad Eye

Spätestens jetzt hält es keinen mehr in den tiefen Sesseln. Alle tanzen im Rhythmus der Musik. Wenn die Nachtschwärmer das Schiff verlassen, graut schon der Morgen. Fast jede Nacht verwandeln sich die Splavovi in Partyzonen. Vorbestellen muss niemand, man muss sich nur zu ihnen aufmachen. Ob Hip-Hop, House, Ex-Yugo-Rock oder Folk - für jeden Geschmack gibt es ein Schiff.

Autor: Mirko Schwanitz
Redaktion: Sandra Voglreiter