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Neue Strategie

21. Mai 2007

Nach dem Anschlag auf deutsche Soldaten hat der Bundeswehrverband einen Strategiewechsel in Afghanistan gefordert. Einen solchen kündigte vorerst nur die Welthungerhilfe an: Sie will sich von der Nato abgrenzen.

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Deutsche ISAF-Soldaten im Februar in Masar-i-Scharif
Deutsche ISAF-Soldaten im Februar in Masar-i-ScharifBild: AP
Franz Josef Jung, Quelle: AP
Franz Josef JungBild: AP

Nach dem Selbstmord-Anschlag auf die Bundeswehr in Afghanistan hat Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) einen Rückzug der deutschen Soldaten ausgeschlossen. "Wenn wir jetzt einfach abziehen würden und den Rückfall in das Ausbildungszentrum für den Terrorismus wieder in Kauf nehmen würden, würde dies auch zusätzlich unsere Sicherheit gefährden", sagte Jung am Montag (21.5.07) im Deutschlandfunk. Der Auftrag müsse erfüllt werden. Es müsse "selbsttragende Sicherheit" in Afghanistan hergestellt werden. Dazu sei die Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten wichtig.

"Die Sinnfrage stellen"

Trotz des Attentats - nach seinen Worten "der schwerste hinterhältige, perfide Anschlag" auf die Bundeswehr seit 2003 - würden die deutschen Soldaten vor Ort daher weiter auf die Bevölkerung zugehen. "Wir dürfen uns nicht einigeln", hob Jung hervor. Allerdings habe er schon vor längerer Zeit angeordnet, dass die Bundeswehr nur noch in geschützten Fahrzeugen unterwegs sein dürfe. Zugleich forderte der Minister, bei Anti-Terror-Aktionen der internationalen Streitkräfte dürfe die Zivilbevölkerung nicht getroffen werden.

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz stellte unterdessen den Sinn des militärischen Engagements in Afghanistan in Frage. "Unsere Soldaten stehen auch im Norden jederzeit in der Gefahr, Selbstmordanschlägen ausgesetzt zu sein. Das ist furchtbar", sagte Gertz der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" vom Montag. "Man muss die Sinnfrage nach dem Einsatz in Afghanistan noch deutlicher stellen - so deutlich, dass sie nicht mehr überhört wird", sagte der Verbandschef. "Wenn es nicht eine radikale Änderung der Gesamtstrategie gibt, dann laufen wir Gefahr, in Afghanistan zu scheitern."

Auch Grünen-Chef Reinhard Bütikofer äußerte deutliche Kritik am deutschen Konzept für Afghanistan. "Wir sind seit längerer Zeit der Meinung, dass wir die Gesamtstrategie ändern müssen", sagte er dem Sender n-tv.

Absetzung von den Truppen

Eine fliegendes Lazarett bringt am Sonntag vier verletzte Soldaten nach Deutschland, Quelle: AP
Eine fliegendes Lazarett bringt am Sonntag vier verletzte Soldaten nach DeutschlandBild: AP

Die Deutsche Welthungerhilfe will ihre Strategie in Afghanistan ändern und sich noch stärker von der Zentralregierung in Kabul und den internationalen Koalitionstruppen abgrenzen. Wegen starker regionaler Herrscher, mangelnder Kapazitäten afghanischer Institutionen sowie der weit verbreiteten Korruption sei die afghanische Zentralregierung in den ländlichen Regionen nicht flächendeckend präsent, erklärte der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Hans-Joachim Preuß, am Montag in Bonn. Dies führe dazu, dass Nichtregierungsorganisationen zunehmend mit Aufgaben betraut würden, die in die Verantwortung des Zentralstaats fallen, was sie stärker ins Fadenkreuz regierungsfeindlicher Gruppen rücke.

Die Welthungerhilfe will ihre Hilfsmaßnahmen künftig stärker an den Prioritäten der Bevölkerung und weniger an den von der Zentralregierung definierten Schwerpunkten definieren. Auch von den internationalen Truppen will sich die Organisation noch klarer abgrenzen, insbesondere dort, wo diese sich am Wiederaufbau beteiligen. Das neue Konzept soll bis Oktober erarbeitet werden. Bis dahin sollen keine neuen Projekte aufgenommen werden.

Tote bei Gefechten und Anschlägen

Bei Gefechten zwischen mutmaßlichen Taliban und US-geführten Truppen sind im Süden Afghanistans 25 Menschen getötet worden. Die 14-stündigen Kämpfe hätten sich am Sonntag (20.5.07) in der Region von Sangin, einer Rebellenhochburg in der südafghanischen Unruheprovinz Helmand, abgespielt, teilte das afghanische Verteidigungsministerium am Montag mit. Unter den Getöteten sei auch ein Gruppenführer der Taliban. Ein Sprecher der US-geführten Truppen erklärte, bei den Bombardierungen durch US-Kampfflugzeuge habe es mehrere Tote gegeben. Eine genaue Zahl nannte er nicht. Durch zwei Anschläge kamen in den Provinzen Helmand und Nagarhar 14 Polizisten ums Leben.

Seit Anfang April sind in Afghanistan sieben Hilfskonvois der UNO überfallen worden. Insgesamt habe es in den vergangenen elf Monaten 16 Attacken gegeben, bei denen Lebensmittel und Fahrzeuge gestohlen und zerstört worden seien, teilte ein Sprecher des UN-Welternährungsprogramms, Adrian Edwards, am Montag bei einer Pressekonferenz in Kabul mit. (stu)