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Verfassungsbruch

7. Mai 2008

Das Bundesverfassungsgericht hat die Mitbestimmungsrechte des Bundestags bei bewaffneten Einsätzen der Bundeswehr gestärkt. Nach dem Urteil hat die damalige rot-grüne Bundesregierung 2003 Verfassungsbruch begangen.

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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts,Quelle: dpa
Der Zweite Senat des BundesverfassungsgerichtsBild: picture-alliance/ dpa

Die Mitwirkung deutscher Soldaten an den AWACS-Aufklärungsflügen über der Türkei zu Beginn des Irak-Kriegs im März 2003 war wegen fehlender Zustimmung des Bundestags verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch (07.05.2008) entschieden und damit die Rechte des Parlaments bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr gestärkt. Mit dem Urteil gaben die Karlsruher Richter einer fünf Jahre alten Organklage der FDP-Bundestagsfraktion statt. Der Eilantrag der Liberalen war damals noch abgelehnt worden.

"Routine-Einsätze"

Ein AWACS-Flugzeug auf der NATO Airbase in Geilenkirchen, Quelle: AP
Ein AWACS-Flugzeug auf der NATO Airbase in GeilenkirchenBild: AP

Nach dem Urteil muss die Bundesregierung die Zustimmung des Parlaments zu solchen Missionen immer dann einholen, wenn die Verwicklung deutscher Soldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen "konkret zu erwarten ist" – es kommt also nicht darauf an, ob bewaffnete Auseinandersetzungen bereits stattfinden. Weil die Aufklärungsflüge seinerzeit dem Schutz vor einem befürchteten Angriff auf das NATO-Gebiet dienten, bestand aus Sicht des Gerichts eine konkrete Gefahr für eine Verwicklung der Bundeswehrsoldaten in den Konflikt. Die damalige rot-grüne Regierung hätte die Zustimmung des Bundestag einholen müssen. Der Einsatz sei daher verfassungswidrig gewesen.

Die rot-grüne Bundesregierung lehnte damals eine vorherige Abstimmung des Parlaments ab, weil die AWACS-Maschinen unbewaffnet seien und es sich um keinen bewaffneten Militäreinsatz handele. Bundeskanzler Gerhard Schröder argumentierte, es handele sich um Routineeinsätze der NATO.

Schlappe für die Bundesregierung

In der mündlichen Verhandlung im Februar verteidigte die jetzige Bundesregierung das Vorgehen. Wäre es 2003 zu kriegerischen Auseinandersetzungen gekommen, hätte die Bundesregierung den Einsatz beendet. Der damalige Kommandeur der AWACS-Truppe, Johann-Georg Dora, sagte jedoch, dass ein Rückzug der Bundeswehrsoldaten den gesamten AWACS-Einsatz stark behindert oder unmöglich gemacht hätte.

Im Cockpit eines AWACS-Aufklärungsflugzeugs, Quelle: dpa
Im Cockpit eines AWACS-AufklärungsflugzeugsBild: picture-alliance/ dpa

Den Verfassungsrichtern zufolge hat die Bundesregierung zwar einen weiten Gestaltungsspielraum in ihrer Bündnispolitik. Innerstaatlich habe aber der Bundestag grundlegend darüber zu befinden, ob sich die Bundeswehr an einem vom Bündnis beschlossenen Einsatz beteiligen darf. Auch wegen der politischen Dynamik eines Bündnissystems sei es "um so bedeutsamer, dass die größer gewordene Verantwortung für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte in der Hand des Repräsentationsorgans des Volkes liegt", heißt es im Urteil.

Nach einem Urteil des Verfassungsgerichtes von 1994 stehen bewaffnete Einsätze der Bundeswehr unter Parlamentsvorbehalt. Mit dem jetzigen Urteil steckte der Zweite Senat die Grenze ab, bis zu der eine Bundesregierung allein entscheiden kann. (stu)