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Bundesrechnungshof macht Sparvorschläge

15. November 2011

Jahrzehntelang haben die Europäer über ihre Verhältnisse gelebt. Auch Deutschland macht da keine Ausnahme. Nun wird fieberhaft nach Einsparmöglichkeiten gesucht. Der Bundesrechnungshof hätte da ein paar Vorschläge.

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Angespitzter Rotstift (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Die Bundeswehr beschafft und lagert seit rund vierzig Jahren Gewehrmunition in großen Mengen, unter anderem verfügt sie über 227 Millionen Patronen eines bestimmten Kalibers im Wert von rund 116 Millionen Euro. Leider wurden diese Patronen falsch gelagert, so dass Munition im Wert von rund 46 Millionen Euro korrodiert und unbrauchbar geworden ist.

Es dauerte sechs Jahre, bis das Ausmaß des Schadens überhaupt erfasst wurde. Alle 227 Millionen Patronen mussten von Depotmitarbeitern und Soldaten einzeln ausgepackt und einzeln geprüft werden. Nach Ableistung des bundeswehreigenen Arbeitsbeschaffungsprogramms wurde festgestellt, dass nunmehr neue Patronen für mindestens siebzehn Millionen Euro gekauft werden müssen.

Milliarden könnten gespart werden

Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, aufgenommen am Dienstag (15.11.11) auf einer Pressekonferenz in Berlin. Foto: Berthold Stadler/dapd
Wird gut gewirtschaftet? Bundesrechnungshof-Präsident Engels zweifelt das oft anBild: dapd

Für den Bundesrechnungshof ist der "Munitionsfall" nur eines von vielen Beispielen für den unsachgemäßen Umgang mit Bundesmitteln und die Verschwendung von Steuergeldern. Als Punkt Nummer 65 ist er in den jüngsten Bemerkungen des Rechnungshofs zur Haushalts- und Wirtschaftsprüfung des Bundes aufgeführt.

Die jährlich aufgelisteten Fälle, so sagt Rechnungshof-Präsident Dieter Engels, seien immer nur ein Ausschnitt dessen, was der Bundesrechnungshof insgesamt prüfe. Allein die aktuelle Liste summiere sich aber auf eine Schadenssumme von 1,5 Milliarden Euro. "Wenn sie alle Prüfungen nehmen, die wir in einem Jahr machen, oder die Vorschläge, die wir in den vergangenen zwei, drei Jahren gemacht haben, dann kommen sie natürlich auf wesentlich größere Summen", so der oberste Rechnungsprüfer.

Deutschland ist mit mehr als zwei Billionen Euro verschuldet, auf den Bund entfallen davon 1,3 Billionen Euro. Angesichts dieser Summe, so heißt es beim Rechnungshof, müsse der Staat unbedingt versuchen, mehr einzunehmen und mehr einzusparen, um die Verschuldung abzubauen. Potenzial dafür finde sich auch in den Etats der Bundesministerien.

Forschungsförderung nach dem Gießkannenprinzip?

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (Foto: dpa)
In der Kritik: Die Forschungsförderung der Bildungsministerin Annette SchavanBild: picture-alliance / dpa

So zweifeln die Kontrolleure beispielsweise an, ob die Ausgaben für Bildung und Forschung, die zwischen 2009 und 2012 um 27 Prozent steigen, sinnvoll verwendet werden. Große Forschungseinrichtungen würden in einem Umfang gefördert, der, so Rechnungshof-Präsident Engels, "nicht erwarten lässt, dass das Geld zielgerichtet ausgegeben werden kann".

Allein die Helmholtz-Gemeinschaft verfüge seit Jahren über rund 300 Millionen Euro Reserven, die von Jahr zu Jahr in der Bilanz übertragen würden. Außerdem würden Tierpfleger Leistungszulagen erhalten, obwohl das von ihnen betreute Tierhaus längst geschlossen sei, oder Wissenschaftler würden sogenannte Bleibezulagen erhalten, obwohl sie nicht vorgehabt hätten, das Forschungszentrum zu verlassen.

Kritik übt der Bundesrechnungshof auch an den Etatplanungen des Bundesverkehrsministeriums. Engels spricht von "erheblichen kostenträchtigen Fehlentwicklungen", die struktureller Natur seien. Wenn Autobahnen und Bundesstraßen zwar von den Ländern gebaut und unterhalten, vom Bund jedoch finanziert würden, lade das zur Großzügigkeit und fehlender Sorgfalt bei den Planungen und Abrechnungen ein. Es geht um jährlich 6,3 Milliarden Euro und angesichts von überdimensionierten Kreuzungen und überlangen Tunnelbauten sei offensichtlich vieles unnötig.

Schulden bei den Sozialversicherten eintreiben

Viele Eurogeldscheine mit einem Stethoskop. Kosten Gesundheit.
Falsche Abrechnungen kosten die Krankenkassen MilliardenBild: Bilderbox

Dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales rechnet der Bundesrechnungshof in diesem Jahr vor, wie viel Geld die Versicherten den Sozialversicherungsträgern, also beispielsweise den Kranken- und den Rentenversicherungskassen schulden. Über 6,9 Milliarden Euro seien das, so Rechnungshof-Präsident Engels.

Die Ursachen dafür lägen im Dunkeln und derzeit könne das Ministerium "keine Angaben machen, wer nicht gezahlt hat, wer was nicht gezahlt hat und so weiter". Insbesondere den gesetzlichen Krankenkassen konnte der Rechnungshof mehrere Fälle von Verschwendung in Millionenhöhe nachweisen, unter anderem bei der Abrechnung von Behandlungskosten.

Fehlendes Fachwissen

Ein Aktienhändler streckt sich am Freitag hinter seinen Computer-Bildschirmen an der Börse in Frankfurt am Main (Foto: AP)
Kein Grund zum Jubeln - die Aktivitäten bundesnaher Einrichtungen an den FinanzmärktenBild: AP

Vor dem Hintergrund der Finanzkrise hat sich der Bundesrechnungshof auch die Finanzanlagen bundesnaher Einrichtungen näher angeschaut. Dazu gehören neben den Sozialversicherungsträgern auch Anstalten des öffentlichen Rechts, Verwalter von Sondervermögen und Stiftungen. Die Guthaben, die diese Einrichtungen an den Finanzmärkten anlegen, belaufen sich auf mehrere Milliarden Euro.

Was die Prüfer herausfanden, klingt wenig beruhigend: "Wir haben festgestellt, dass viel zu selten das nötige Fachwissen vorhanden ist, um diese Anlagen sachgerecht zu verwalten und deren Risiken realistisch einzuschätzen", so Rechnungshof-Präsident Dieter Engels. 30 Prozent der Gelder würden in risikoreichen Anlagen stecken, die Buchwerte daher auch erheblich schwanken. Und es sei keineswegs so, dass diese Schwankungen in den Bilanzen berücksichtigt würden.

Angesichts der geschilderten Fälle ist davon auszugehen, dass dem Rechnungshof die Arbeit auch in den nächsten Jahren nicht ausgehen wird. Im Gegenteil. Die Prüfer haben schon einen zusätzlichen Bereich ausgemacht: den zukünftigen europäischen Rettungsschirm ESM. Noch ist die Frage offen, ob dieser überhaupt sachgerecht geprüft werden soll. Er gehe aber mal wohlwollend davon aus, so Engels, dass diese Frage bis jetzt lediglich übersehen worden sei.

Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Jutta Wasserrab