Bundespräsident für 30 Tage
1. Juni 2010Bürgermeister, Bundesratspräsident und Bundespräsident - der Bremer Regierungschef Jens Böhrnsen (SPD) steht überraschend und plötzlich bis zum 30. Juni auf der großen politischen Bühne. Noch hat den 60-jährigen Juristen das Rampenlicht der Regierungsgeschäfte nur gestreift. Denn in Bremen ging der Interims-Bundespräsident am Dienstag (01.06.2010) ganz normal seinen Amtgeschäften nach.
"Nebeneinander ist gut zu schaffen"
Dienstags ist immer Senatssitzungstag, also begann auch dieser Dienstag mit den ganz normalen politischen Beratungen, die der Präsident des Senats mit seinen Senatoren zu bearbeiten hat. Weitere Termine sind: Pressekonferenz zum Stadtmusikantenpreis und ein Grußwort an die neuen Professoren der Hochschule.
Der erste offizielle Termin als Bundespräsident steht erst am Donnerstag auf der Tagesordnung: Empfang des somalischen Präsidenten in Berlin. Doch Böhrnsen wird nur unaufschiebbare Aufgaben des zurückgetretenen Horst Köhler übernehmen. "Ich bin in erster Linie in Bremen", sagte er in der Hansestadt. "Ich bin fest davon überzeugt und gewillt, dass das Nebeneinander gut zu schaffen sein wird."
Interessenkonflikte können entstehen
Die Bürger in Bremen sind sich derweil sicher, dass das Nebeneinander gut klappen kann. "Ich glaube, dass er hohe Sachkompetenz hat und dass er auch das entsprechende Feingefühl für die Bürger hat. Ich traue ihm das zu", erklärt ein Bremer auf Nachfrage. Eine andere Passantin fügt hinzu: "Ich glaube, dass er ein Mann ist, der so etwas könnte."
Im Hinblick auf sein Amt als Bundesratsvorsitzender ist bislang nur klar, dass Böhrnsen die Sitzungsleitung seinen Stellvertretern überlassen wird. Andernfalls könnten Interessenskonflikte auftreten. Denn als Chef der Länderkammer wäre er an der Gesetzgebung beteiligt. Als Bundespräsident müsste er dieses dann unterzeichnen. Das könnte gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen.
Seit November 2009 Bundesratspräsident
Böhrnsen – der seit November 2005 Bremer Bürgermeister ist - vertritt den Bundespräsidenten nicht zum ersten Mal. Schon bei Urlauben und Auslandsreisen von Horst Köhler hat der Bremer Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten übernommen. Seit dem 1. November 2009 ist er schließlich als Bundesratspräsident dessen Stellvertreter. Mitte Mai, als Köhler bei der Expo in China weilte und in Deutschland über das Euro-Rettungspaket abgestimmt worden ist, hätte Böhrnsen beinahe seine Unterschrift unter das historische Gesetz setzen müssen. Köhler kehrte aber in letzter Minute zurück.
Einen weiteren Unterschied zwischen Bremen und Berlin gibt es in puncto Sicherheit. So sind Bodyguards bei dem 60-Jährigen kaum zu sehen. Über Nacht habe sich am Sicherheitskonzept für Böhrnsen nicht viel geändert, heißt es in Bremen. Nur in Berlin werde das anders sein.
Fußballweltmeisterschaft ohne Bundespräsidenten
Da der Focus auf Deutschland und den Bremer Amtsgeschäften liegt, hat der Bremer Auslandsreisen ausgeschlossen. Das bedeutet beispielsweise: Sollte die deutsche Mannschaft gar Weltmeister werden, wäre der Bundespräsident nicht vor Ort. Die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika wird ohne Böhrnsen stattfinden.
Autorin: Marion Linnenbrink
Redaktion: Martin Schrader