1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Bundespräsident Wulff lehnt Rücktritt ab

22. Dezember 2011

Bundespräsident Christian Wulff hat in der Kreditaffäre sein Schweigen gebrochen: Er möchte sein Amt weiterhin ausüben, bittet um Entschuldigung und weiteres Vertrauen für seine Amtsausübung.

https://p.dw.com/p/13Xif
Bundespräsident Wulff bei seiner Erklärung im Schloss Bellevue in Berlin (Foto: dapd)
Bundespräsident Wulff bei seiner Erklärung im Schloss Bellevue in BerlinBild: dapd

Die politische Spannung war groß im vorweihnachtlichen Berlin. Tagelang wurde darüber spekuliert, ob der durch die Kreditaffäre angeschlagene Christian Wulff als Bundespräsident zurücktritt oder im Amt bleibt. Bislang hatte Wulff sich ausschließlich über seine Anwälte zu den Vorwürfen geäußert. Nun gab er am Donnerstagnachmittag (22.12.2011) überraschend eine nur kurz vorher angekündigte fünfminütige Erklärung im Schloss Bellevue ab.

Wulff steht wegen eines vom befreundeten Unternehmer-Ehepaar Geerkens bereitgestellten Privatkredits für einen Hauskauf sowie Urlaubseinladungen von befreundeten Unternehmern seit Tagen in der Kritik. Zudem war öffentlich geworden, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer eine Anzeigenkampagne für ein Buch Wulffs im Jahr 2007 finanzierte.

Es sei ihm ein Bedürfnis, sich persönlich zu äußern, sagte Wulff. Er habe für volle Offenheit in der Frage der Finanzierung seines Hauses gesorgt. "Alle Auskünfte sind erteilt worden, vom Bankgeheimnis ist umfassend befreit worden." Außerdem habe er die Ferienaufenthalte bei Freunden offengelegt, die Unterlagen lägen bei einer Rechtsanwaltskanzlei aus.

"Das tut mir leid"

Bundespräsident Christian Wulff (Foto: dpa)
"Das war nicht geradlinig und das tut mir leid"Bild: picture alliance / dpa

Die Presse- und Meinungsfreiheit bedeute "für Amtsträger, jederzeit die Wahrnehmung ihrer Aufgaben vor der Öffentlichkeit zu erläutern und gerade auch im Grenzbereich zwischen Dienstlichem und Privatem die erforderliche Transparenz herzustellen", sagte Wulff. Das sei nicht immer leicht, wenn man an den Schutz der Familie denke, aber es sei wichtig für das Vertrauen in ihn und seine Amtsführung.

Wulff sei klar geworden, wie irritierend die private Finanzierung seines Hauses in der Öffentlichkeit gewirkt hat. "Das hätte ich vermeiden können und müssen", räumte Wulff ein. Er hätte das damals dem niedersächsischen Landtag offenlegen müssen. "Das war nicht gradlinig und das tut mir leid." Er sehe ein, dass nicht alles, was juristisch rechtens sei, auch richtig sei.

Der Bundespräsident nahm auch zu den Vorwürfen eines möglichen Amtsmissbrauchs Stellung: "Zu keinem Zeitpunkt habe ich in einem meiner öffentlichen Ämter jemandem einen unberechtigten Vorteil gewährt." Persönliche Freundschaften seien ihm auch menschlich wichtig, hätten aber nicht seine Amtsführung beeinflusst. "Dafür stehe ich."

Wulff will nach eigenen Worten sein Amt auch zukünftig gewissenhaft und mit ganzer Kraft ausfüllen. "Denn wir stehen vor großen Aufgaben in unserem Land, in Europa und der Welt." Dafür bitte er die Bürgerinnen und Bürger auch zukünftig um ihr Vertrauen.

Pressesprecher entlassen

Kurz zuvor hatte das Präsidialamt in Berlin mitgeteilt, dass Wulffs Pressesprecher Olaf Glaeseker entlassen wird. Der langjährige enge Vertraute und Wegbegleiter von Christian Wulff sei von seinen dienstlichen Aufgaben entbunden worden. Diese Entscheidung habe der Chef des Bundespräsidialamtes, Staatssekretär Lothar Hagebölling, getroffen, hieß es. Glaesekers Aufgaben sollen ab sofort von seiner bisherigen Stellvertreterin Petra Diroll kommissarisch wahrgenommen werden.

Über die Gründe der Entlassung wurde nichts bekannt, auch nicht in der Erklärung Wulffs. Er bedauere, dass er sich von Glaeseker trennen musste, sagte der Bundespräsident.

Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich zurückhaltend zur Erklärung Wulffs. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: "Die Worte des Bundespräsidenten stehen für sich. Ihnen ist nichts hinzuzufügen." Die Kanzlerin hatte Wulff seit Beginn der Kreditaffäre zwei Mal öffentlich ihr Vertrauen ausgesprochen.

Unionspolitiker wollen Debatte beenden

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (Foto: dapd)
Finanzminister Schäuble verlangt ZurückhaltungBild: dapd

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte in der Diskussion um Wulffs Kredit mehr Zurückhaltung. Der "Bild am Sonntag" sagte er, es gebe "ein hohes Interesse daran, dass das Amt des Bundespräsidenten unbeschädigt bleibt. Die Debatten, die im Augenblick geführt werden, sind Belastung für das Amt."

Auch Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) sprach sich dafür aus, die Debatte zu beenden. Mit der Art, wie über Wulff diskutiert werde, könne man jedes politische Amt beschädigen. "Jetzt sollten wir zu dem zurückkehren, was wirklich wichtig ist", sagte Schavan der "Welt am Sonntag".

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier, bezeichnete die Erklärung Wulffs im ARD-Fernsehen als "bemerkenswerten Schritt", den der Bundespräsident auf seine Kritiker zu gemacht habe. Dies sollte Anlass sein, die Diskussion wenigstens über die Weihnachtsfeiertage "ad acta zu legen".

Kritik von den Oppositionsparteien

Die SPD dringt ungeachtet der Entschuldigung von Wulff auf weitere Aufklärung in der Kredit-Affäre. Vize-Fraktionschef Hubertus Heil erklärte, es sei gut, dass Wulff sich zu den offenen Fragen geäußert habe. Es gebe aber noch offene Fragen, beispielsweise, ob er als früherer niedersächsischer Ministerpräsident gegen das Ministergesetz verstoßen habe und warum sein Sprecher gehen musste.

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast hat die Entschuldigung Wulffs als unzureichend kritisiert. "Christian Wulff hat eingeräumt, was bekannt war. Als Zuhörer bleibt man verdutzt zurück."

Autor: Kay-Alexander Scholz (dpa, afp)
Redaktion: Martin Schrader