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Politik

Jeder dritte "Bufdi" bricht vorzeitig ab

Sabrina Müller-Plotnikow
22. Mai 2018

Seit sieben Jahre gibt es den Bundesfreiwilligendienst. In dieser Zeit hat jeder dritte Teilnehmer vorzeitig hingeworfen. Die Linken-Abgeordnete Katrin Werner sieht viele Missstände, vor allem im sozialen Bereich.

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Bundesfreiwilligendienst Detail
Bild: picture alliance / dpa

Seit der Einführung des Bundesfreiwilligendienstes im Jahr 2011 hat jeder dritte Teilnehmer seinen Dienst frühzeitig quittiert. Die Abbruchrate lag in den alten Bundesländern bei 35 Prozent und damit höher als in den neuen Bundesländern (26 Prozent). Das geht aus aktuellen Zahlen hervor, die die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion veröffentlicht hatte.

Deutsche Welle: Warum beendet ein Drittel der Teilnehmer an dem Bundesfreiwilligendienst die Dienstzeit vorzeitig?

Katrin Werner: In den alten Bundesländern ist die Abbrecherquote bei Menschen unter 27 Jahren höher. Man kann nur vermuten, dass sie einen Studienplatz oder eine Lehrstelle annehmen. In den neuen Bundesländern sind die Abbrecher meist über 27 Jahre. Da können wir nur vermuten, dass viele aus der Arbeitslosigkeit herauskommen. An diesen unterschiedlichen Stellen muss nachgebessert werden.

Einmal brauchen wir mehr Kontrollen, damit die Bundesfreiwilligen kein Ersatz für fehlendes Personal werden und so ihre Arbeitsmarktneutralität gewährleistet ist. Wir müssen mit dem Bundesfreiwilligendienst hin zu einem Bildungs- und Orientierungsprogramm. 

Katrin Werner (Foto: Katrin Werner)
Mehr Chancen für "Bufdis": Katrin WernerBild: Katrin Werner

Unsere Anfrage nach den Gründen für den frühzeitigen Abbruch konnte von der Bundesregierung nicht beantwortet werden. Fest steht: Wir brauchen eine Fachkonferenz oder ein Fachgespräch, an dem sowohl die Träger als auch die Menschen, die den Bundesfreiwilligendienst machen, am Tisch sitzen, über Qualität und die Durchführung diskutieren und fragen, wie man die Arbeitsbedingungen verbessern kann.

Wenn Heranwachsende die Zeit zwischen Schule und Studium oder Ausbildungsstart im Bundesfreiwilligendienst verbringen, zeigt das doch bürgerliches Engagement in einem Bereich, der für junge Leute bisher wenig attraktiv ist - egal, ob sie die vollen zwölf Monate ableisten oder nicht. 

Als Bildungs- und Orientierungsprogramm ist der Bundesfreiwilligendienst richtig und wichtig. Wenn man das wieder verstärkt als Bildungs- und Orientierungsjahr ansieht, dann kann man tatsächlich darüber diskutieren, dass man dieses Jahr auch als Wartesemester anerkennen kann. Wir hatten ein Treffen mit freiwilligen Dienstleistenden, die sagen, nach dem Abitur haben sie das Jahr im sozialen und Pflegebereich als Orientierungsstufe gewählt, um zu sehen, ob es ihnen Spaß macht. Von daher ist das Programm ein Erfolg. Nur über die Qualität und die Arbeitsbedingungen muss man noch mal reden.

Entwickelt sich der Bundesfreiwilligendienst zu einem Programm, mit dem die Personalnot im sozialen Bereich kompensiert werden soll?

Viele in den neuen Bundesländern, die über 27 Jahre alt sind, sehen den Bundesfreiwilligendienst als Überbrückung der Arbeitslosigkeit an. Dort sind es auch Ältere, die den Dienst in Teilzeit machen, weil er auch auf Hartz IV angerechnet wird. Es gibt viele Fragen, und wir müssen den Dienst noch stärken, weil wir von denen, die ihn leisten, oft hören, dass es ihnen etwas bringt und dass er wichtig für sie sei. Aber man muss wieder zu dem Bildungs- und Orientierungsdienst hin, der er einmal war.

Es gibt auch ein paar Dinge, die ein Staat leisten muss. Es gibt viele Menschen, die ehrenamtlich viel leisten, und ohne diese Bürgerinnen und Bürger hätte in den letzten Jahren vieles nicht funktioniert. Aber ein Hartz-IV-Empfänger will langfristig einen Job finden. Den dürfen wir nicht über den Bundesfreiwilligendienst in den ersten Arbeitsmarkt integrieren, sondern müssen ausreichend Programme für Langzeitarbeitslose auflegen.

Mit welchen Problemen sehen sich die Freiwilligen konfrontiert?

Gerade im Kranken- oder Pflegebereich hören wir immer wieder, dass die Teilnehmer angehalten werden, eine Spritze gegen Diabetes zu geben oder Medikamente verabreichen sollen oder dass sie in Nachtschichten als Helfer eingesetzt werden. Natürlich trägt derjenige, der den Job dort macht, das Risiko. Und wenn die Träger der Pflegeeinrichtungen Personalnot haben, dann wird er dort als Hilfsarbeiter eingesetzt. Diese Arbeitsmarktneutralität müssen wir definitiv noch mal nachjustieren. 

Katrin Werner ist Sprecherin für bürgerschaftliches Engagement der Linksfraktion.

Das Interview führte Sabrina Müller-Plotnikow.