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Bundesbank verteidigt, ihr Chef kritisiert EZB

19. September 2016

Volkswirte der Bundesbank beruhigen: Die ultralockere Geldpolitik der EZB mache keineswegs die Armen ärmer und die Reichen reicher. Ihr Chef Jens Weidmann hält die EZB-Politik aber trotzdem für bedenklich.

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Bild: picture alliance/dpa/A. Dedert

Die Deutsche Bundesbank warnt vor vorschnellen Urteilen über die Auswirkungen der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank auf Einkommen und Vermögen. "Die vielerorts zu lesende Aussage, die geldpolitischen Sondermaßnahmen hätten erwiesenermaßen die Ungleichheit erhöht, lässt sich nicht erhärten", schreibt die Notenbank in ihrem Monatsbericht für September, der am Montag in Frankfurt veröffentlicht wurde.

Kritiker werfen der Europäischen Zentralbank (EZB) vor, mit ihrem Billiggeld-Kurs Sparer zu enteignen sowie über steigende Bewertungen von Aktien und Immobilien lediglich Reiche noch reicher zu machen.

Die Ökonomen der Bundesbank argumentieren: "Neben Vermögenspreisen wirken sich geldpolitische Maßnahmen generell und die Sondermaßnahmen der letzten Jahre im Speziellen auch auf die konjunkturelle Entwicklung, die Beschäftigung, die gesamtwirtschaftliche Unsicherheit und das Vertrauen der Marktteilnehmer aus." Wenn sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt verbessere, komme das gerade ärmeren Haushalten zugute. "Geldpolitische Maßnahmen, die das Arbeitslosigkeitsrisiko senken, haben daher ein großes Potenzial, Verteilungsungleichheit zu senken."

Weidmann sieht mehr Risiken

Dagegen hat der Präsident der Bundesbank, Jens Weidmann, der EZB-Geldpolitik eine problematische Nähe zur Haushaltspolitik der Staaten bescheinigt. "Notenbankhandeln wird als Lösung für alle möglichen Probleme gesehen, die weit über die Geldpolitik hinausgehen", sagte Weidmann im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung", "Le Monde", "La Stampa" und dem "Guardian".

Die Finanzkrise und das Zögern der Politik hätten ihn und seine Kollegen im Euroraum in diese neue Rolle gedrängt. "Im Ergebnis greifen wir immer tiefer in Einzelmärkte ein und haben heute eine problematische Nähe zur Finanzpolitik."

Weidmann verwies damit erneut auf Risiken der ultralockeren Geldpolitik. Das Euro-System sei zum größten Gläubiger der Euro-Staaten geworden. Dabei schwächten die Niedrigzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) die Haushaltsdisziplin. Sparanreize würden untergraben, eine ambitionierte Sparpolitik gebe es nur in sehr wenigen Ländern. Wenn die Zinsen wieder steigen, könnten die Schulden "möglicherweise nicht mehr tragfähig" sein.

Weidmann warnte davor, unnötig lange an dem derzeit niedrigen Zinsniveau festzuhalten. "Auf keinen Fall dürfen die Zinsen länger so niedrig bleiben, als mit Blick auf die Preisstabilität unbedingt erforderlich ist."

Wachstum schwächt sich ab

Der Bundesbank zufolge erhält der Aufschwung in Deutschland im zu Ende gehenden Sommerquartal einen Dämpfer. "Nach der recht kräftigen Expansion im Frühjahr dürfte die Wirtschaftsleistung im dritten Vierteljahr 2016 etwas langsamer zunehmen", schrieb sie in ihrem Monatsbericht. "Dies zeigt sich unter anderem an der merklichen Eintrübung der Stimmung bei den Unternehmen."

Der Ifo-Index - für den 7000 Manager befragt werden - gab im August den zweiten Monat in Folge nach, und das gleich so stark wie seit der Eskalation der europäischen Staatschuldenkrise vor rund vier Jahren nicht mehr. Als Grund dafür gilt die Verunsicherung durch das Brexit-Votum der Briten.

Der Bundesbank zufolge zeigte sich zuletzt vor allem die exportabhängige Industrie "sehr schwach". "Demgegenüber befindet sich die Bauwirtschaft nach der wetterbedingten Anpassungsphase im Frühjahr wieder klar auf Expansionskurs", erklärte sie. Auch bei den Dienstleistern zeige der Trend "weiter deutlich nach oben". Die konjunkturelle Grundtendenz dürfte trotz leicht schwächelnder Industrie nach wie vor recht kräftig bleiben.

Das Bruttoinlandsprodukt war zu Jahresbeginn um 0,7 Prozent gewachsen, im zweiten Quartal um 0,4 Prozent. Für das im September endende dritte Quartal erwarten Ökonomen derzeit ein Plus von 0,2 bis 0,3 Prozent.

wen/iw (dpa, rtrd)