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Bulgariens Generalstaatsanwalt sieht große Fortschritte

21. September 2006

Er kämpft seit einem halben Jahr gegen Korruption und organisierte Kriminalität: Bulgariens Generalsstaatsanwalt Boris Velchev. Bei einem Besuch in Berlin zog er Bilanz und warb für den EU-Beitritt seines Landes.

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Bulgarien als "würdiges EU-Mitglied"Bild: AP

Am kommenden Dienstag (26.9.) wird die Europäische Union über den Beitrittstermin für Bulgarien und Rumänien entscheiden. In beiden Ländern kritisierte Brüssel immer wieder mangelnde Fortschritte im Kampf gegen Korruption und die organisierte Kriminalität. In Berlin präsentierte nun der im März neu berufene Generalstaatsanwalt Bulgariens, Boris Velchev, seine Bilanz. Er gilt als die "weiße Weste" Bulgariens und hat dementsprechend viel zu tun. Die organisierte Kriminalität und die Korruption drohen immer noch den EU-Beitritt des Landes zu verzögern. Der 43 Jahre alte Mann mit Dreitagebart, müden Augen und vielen Leibwächtern ist nach Berlin gekommen, um zu beweisen: Bulgarien kämpft erfolgreich gegen die Kriminalität – auch in den höheren Etagen der Macht.

Eigenlob

Der Generalstaatsanwalt hat seinen Gesprächspartnern in Berlin eine Liste mit Namen prominenter Persönlichkeiten mitgebracht, die jahrelang wichtige Posten in der Staatsanwaltschaft bekleidet hatten oder Abgeordnete waren, aber jetzt für ihr korruptes Verhalten von der Justiz zur Rechenschaft gezogen werden. Boris Velchev: "Das sind keine Umstände, auf die wir stolz sind, aber sie präsentieren den Trend, von dem ich immer rede. Wir haben nie behauptet, dass wir im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und die Korruption das Maximum erreicht haben. Wir behaupten aber, dass wir auf einem Weg sind, von dem man nicht umkehren kann und der uns nach einer bestimmten Zeit zu den notwendigen Ergebnissen führt."

Kontrolle erwünscht

Die Zeit ist vielleicht der größte Feind des Generalstaatsanwalts Boris Velchev. Das Urteil über die bulgarische EU-Reife fällt am kommenden Dienstag (26.9.) in Brüssel mit der Veröffentlichung des letzten Fortschrittsberichts über Bulgarien und Rumänien. In Sofia rechnet man mit einem Ja für den Beitritt zum 1. Januar 2007, aber Brüssel könnte sich für ein so genanntes Monitoring nach dem EU-Beitritt entscheiden. Das politische Establishment in Sofia fürchtet schon eine Mitgliedschaft "zweiter" Klasse.

Wäre eine verschärfte Kontrolle durch Brüssel für den Generalstaatsanwalt möglicherweise eine Hilfe? Boris Velchev meint: "Aber natürlich! Das Wichtigere ist, dass dies Bulgarien von Nutzen sein wird. Ich benutze das Wort ‘Kontrolle‘, aber ich hoffe, dass dies vorwiegend eine Art zusätzliche Beobachtung durch Brüssel wird. Auf diese Weise könnte sich eine effektive Form von Hilfe zur Beschleunigung der Reformen im Lande durchsetzen. Ich bin mir sicher, so würden sich die EU und ihre Mitgliedstaaten davon überzeugen lassen, dass die Reformen in Bulgarien unumkehrbar sind und wir ein würdiges EU-Mitglied sind."

Qualität statt Schnelligkeit

Anders als Generalstaatsanwalt Velchev wollen Ministerpräsident Stanischew und andere Regierungsvertreter von einem Monitoring nichts wissen. Nicht zum ersten Mal demonstriert der Generalstaatsanwalt damit seine Unabhängigkeit. Dies hilft ihm auch, souverän auf den Druck aus Brüssel zu reagieren, möglichst schnell den Kampf gegen die organisierte Kriminalität in Bulgarien zu führen. "Es gibt viele Angeklagte, aber so gut wie keine Verurteilten", lautet der unausgesprochene Vorwurf. Schnelligkeit oder Qualität? Velchev hat sich hier entschieden: "Diese Frage stellt sich immer und ich muss zugeben, ich war nie ein Anhänger von schnellen, aber qualitativ schlechten Lösungen. Lieber Vorwürfe einstecken, dass die Resultate nicht in sechs Monaten, sondern in einem Jahr stehen, dafür aber solide und konsequent arbeiten".

Marinela Liptcheva-Weiss
DW-RADIO/Bulgarisch, 21.9.2006, Fokus Ost-Südost