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Bulgarien/Rumänien: EU-Mitgliedschaft unter Bauchschmerzen

28. September 2006

Die Europäische Kommission hat grünes Licht für den EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien gegeben. Doch es gibt Vorbehalte. Für andere Beitrittskandidaten wachsen die Hürden.

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Zweifelnde Blicke: EU-Kommissionspräsident BarrosoBild: AP

Bulgarien und Rumänien sollen ungeachtet anhaltender Defizite pünktlich zum 1. Januar der Europäischen Union beitreten. Die EU-Kommission bescheinigte am Dienstag (26.9.) beiden Staaten, dass sie ihren Fähigkeiten Ausdruck verliehen haben, „die Grundsätze und

Rechtsvorschriften der Europäischen Union ab dem 1. Januar 2007 anzuwenden." Die Kommission weist in ihrem neuesten Fortschrittsbericht jedoch auch darauf hin, dass es in mehreren Bereichen noch Probleme gebe, die eine volle Integration verzögern könnten.

„Ein historischer Schritt“

„Bei der Bekämpfung der Korruption und der Reform des Justizwesens sind in Rumänien und Bulgarien weitere Fortschritte notwendig“, heißt es im Bericht der EU-Kommission. „Das europäische Klassenziel ist noch nicht erreicht. Das gilt besonders für Bulgarien, wo organisierte Kriminalität nach wie vor nur unzureichend verfolgt wird.“ Die vollständige Unabhängigkeit der Justiz sei nicht gewährleistet. Zwar habe es seit dem letzten Zeugnis im Mai erfreuliche Verbesserungen gegeben, aber immer noch sei die Liste der Mängel lang, sagte Olli Rehn, der EU-Erweiterungskommissar vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Unterm Strich gab EU-Kommissionspräsident Jose Barroso dennoch die Empfehlung ab: „Beide Länder können die Rechte und Pflichten eines EU-Mitglieds am 1. Januar 2007 übernehmen. Die Aufnahme Bulgariens und Rumäniens sind ein historischer Schritt. Die fünfte Erweiterungsrunde, die die Wiedervereinigung unserer europäischen Familie fortführt, wird abgeschlossen."

Strenge Überwachung der Fortschritte

Die EU-Kommission droht damit, Schutzklauseln aus den 2005 unterschriebenen Beitrittsregeln zu aktivieren. Geeignete Maßnahmen sollten ergriffen werden, ein Überwachungsmechanismus mit halbjährlichen Berichten werde aufgebaut, kündigte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn an: „Der Mechanismus erlaubt es der Kommission, den Staaten zu helfen, die Reformen rigoros fortzusetzen und die Umsetzung in der Praxis sicherzustellen."

Richtig spürbar könnten Sanktionen im landwirtschaftlichen Bereich und bei Strukturbeihilfen werden. Hier droht die Kommission damit, ein Viertel der Subventionen einzubehalten, wenn nicht bis zum März 2007 ordentliche Zahlstellen zur Verwaltung der Subventionen geschaffen werden. Sollte bei der Lebensmittelsicherheit nicht schleunigst nachgebessert werden, droht bulgarischen und rumänischen Firmen ein Ausschluss vom europäischen Binnenmarkt. Bulgarische Fluggesellschaften könnten vom europäischen Luftverkehr ausgeschlossen werden, denn es gebe, so die Kommission, ernsthafte Unzulänglichkeiten bei Flugbetrieb und Wartung.

Beitritt als Bereicherung

In beiden Ländern, Rumänien und Bulgarien, geben die mangelnde Integration der Roma-Minderheit Anlass zur Besorgnis. Menschenhandel sowie die schlechte Unterbringung und Versorgung von Waisenkindern werden kritisiert. Diese Bereiche will die EU-Kommission weiter beobachten, konkrete Sanktionen werden nicht angedroht. Positiv wird erwähnt, dass Bulgarien bis zum Jahresende das als unsicher eingestufte Kernkraftwerk Koslodui stilllegen wird. Olli Rehn, der Erweiterungskommissar, warnte davor, den Beitritt Rumäniens und Bulgariens negativ zu bewerten. Beide Länder hätten enorme Anstrengungen unternommen. Das müsse auch anerkannt werden: „Ich bin zuversichtlich, dass Rumänien und Bulgarien die Union bereichern werden, ohne das Funktionieren der EU zu beeinträchtigen. Die Interessen der EU und ihrer Bürger können gesichert und ihre Steuergelder geschützt werden. "

Einem Beitritt von Mitgliedsland 26 und 27 zur Union steht jetzt nicht mehr viel im Wege. Vier Staaten, darunter Deutschland, müssen die Beitrittsverträge noch ratifizieren. Eine weitere Beschlussfassung der Staats- und Regierungschefs auf einem EU-Gipfel wäre nur notwendig gewesen, wenn EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn empfohlen hätte, die Aufnahme um ein Jahr zu verschieben.

Bernd Riegert, Brüssel,

DW-RADIO, 26.9.2006, Fokus Ost-Südost