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Das Volk will mehr

21. Februar 2013

Massenproteste haben das Kabinett zur Aufgabe gezwungen. Doch den Aktivisten, die seit Tagen Bulgariens Tagesordnung bestimmen, reicht das nicht: Sie fordern einen grundlegenden Wandel des politischen Systems.

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Tausende Menschen in den Straßen von Sofia (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Wieder gingen am Mittwochabend Tausende auf die Straße, um gegen das Elend in ihrer Heimat zu protestieren. "Wir setzen den Kampf fort", erklärten Aktivisten nach dem Rücktritt der bürgerlichen Regierung unter Ministerpräsident Boiko Borissow. In der Hauptstadt Sofia stießen Demonstranten vor dem Parlament auf Anhänger des scheidenden Regierungschefs, die dort seit Stunden ihre Solidarität mit Borissow bekundeten. Ein großes Polizeiaufgebot verhinderte Zusammenstöße beider Lager. Demonstrationen gab es auch wieder in den Schwarzmeerstädten Varna und Burgas sowie in Blagoewgrad und in Wraza.

Es geht nicht nur um Stromrechnungen

Die Aktivisten, die ihre Proteste über das Internet seit Tagen in rund 30 Städten organisieren, haben kein politisches Konzept. Ihnen geht es aber nicht nur um die hohen Strompreise und die Monopole der ausländischen Energieversorger.

Ihre Proteste richten sich auch gegen die traditionellen Politiker und ihre Parteien. Sie fordern nun Wahlen "für eine Große Volksversammlung", die die Verfassung ändern soll. Behörden, die beispielsweise für die Energieversorgung zuständig sind, sollten nach ihrer Vorstellung zur Hälfte von Bürgern kontrolliert werden. Für Sonntag kündigten die Aktivisten eine Großdemonstration "gegen die gesamte politische Klasse" an.

Bulgariens Regierung tritt zurück

"Chaos und Anarchie"

Soziologen warnen, dass Bulgarien in Anarchie versinken könnte. Der Druck der Straße sei unberechenbar. Die jetzige Lage mache den Staat "praktisch unregierbar", sagte der Politologe Ognjan Mintschew. Bulgarien ist das ärmste Land der Europäischen Union. Nach Einschätzung von Hilfsorganisationen haben rund 40 Prozent aller Kinder nicht genug zu essen. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt bei 350 Euro, viele haben jedoch deutlich weniger im Geldbeutel. Für Wut unter der Bevökerung sorgen auch Korruption, Vetternwirtschaft und die hohe Arbeitslosigkeit im Land.

Rücktritt gebilligt

Das Parlament in Sofia billigte an diesem Donnerstag den Rücktritt des Kabinetts. Damit machten die Abgeordneten den Weg für Neuwahlen frei. Diese sind für April vorgesehen. Eigentlich hätte die Amtszeit der Regierung Borissow erst im Juli geendet.

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle appellierte angesichts der Regierungskrise an alle Parteien, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. "Das ist eine Angelegenheit, die in Bulgarien viel Verantwortungsgefühl aller politischen Kräfte verlangt. Wir setzen darauf, dass jeder jetzt seine Verantwortung kennt", fügte er hinzu.

se/haz (dpa, afp, rtr)