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Licht ins Dunkel

6. August 2009

Bulgarien kämpft auch 20 Jahre nach der Wende mit den Geistern des Überwachungsstaates. Die eigens eingerichtete Behörde bringt allmählich Licht ins Dunkel. Viele Medienleute stehen nun im Fokus.

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Spitzel bei den Medien

Die Kommission zur Überprüfung der Geheimdienstakten in Bulgarien hat bereits die Namen von 107 Mitgliedern der Nachwende-Regierungen (1991-2008) veröffentlicht, die mit der kommunistischen Staatssicherheit zusammengearbeitet haben. Davor hatte die Kommission, also die bulgarische Stasiakten-Behörde, alle Abgeordneten aus derselben Periode für mögliche Stasikontakte durchleuchtet. 139 Namen waren daraufhin bekannt gegeben worden. Selbst Staatspräsident Georgi Parvanov wurde als Mitarbeiter der ehemaligen kommunistischen Staatssicherheit enttarnt.

Und das ist ein gutes Zeugnis für das letzte Gesetz zum Zugang zu den Stasiakten in Bulgarien aus dem Jahr 2006. Dieses Gesetz regelt die stufenweise Öffnung der Akten von heutigen „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“ in der Zeit von 1944 bis 1991. In dieser Gruppe befinden sich unter anderem Politiker, Richter, Staatsanwälte, hochrangige Staatsdiener, Banker, Journalisten und viele andere. Nachdem die Akten aller Regierungsmitglieder und Parlamentarier aus den letzten 20 Jahren bearbeitet und geöffnet wurden, hat die Unterlagen-Behörde in Sofia sich nun auch der Journalisten angenommen.

Abteilung für „Andersdenkende“

Es geht dabei um Journalisten in leitenden Positionen und solche, die als Kommentatoren, Moderatoren oder Kolumnisten einen wesentlichen Einfluss auf die Öffentlichkeit ausüben. Die Sprecherin der Behörde, Ekaterina Bontscheva, erklärt: „Wir haben 2366 Journalisten überprüft, die bei 273 unterschiedlichen Hörfunk- oder Fernsehsendern beschäftigt sind. Eine Zugehörigkeit zur Staatssicherheit haben wir bei 102 Personen festgestellt.“ Bontscheva weist auf die bekanntesten Namen hin: die Besitzer des größten privaten Fernsehsenders bTV und den Eigentümer des größten und einflussreichsten privaten Hörfunksenders Darik. „Die meisten Journalisten wurden von der Abteilung 6 angeworben. Diese Abteilung war für die ‚Andersdenkenden’ zuständig“, so Bontscheva.

Hohe Zahl aktiver Ex-Geheimdienstler

Vor der politischen Wende in Bulgarien 1989 wurden die Medienleute auch von anderen Geheimdienst-Abteilungen angeworben: von der Auslandsaufklärung etwa oder von der Spionageabwehr. Nach der Wende sind ihre Akten zum Objekt vieler Streitigkeiten und Begierden geworden. In der Unterlagen-Behörde gebe es zahlreiche Protokolle aus den Jahren 1989 bis 1990 über die Vernichtung der Personal- und Arbeitsakten von Journalisten. Es seien auch viele Anfragen in derselben Zeit zur Löschung von Namen aus den Karteikarten eingegangen, erzählt Ekaterina Bontscheva. Offensichtlich haben die ehemaligen Machthaber versucht, die Geheimdienst-Mitarbeiter unter den bekannten Journalisten zu schützen.

Das große Thema nach Bekanntgabe der Journalisten-Geheimdienstakten bleibt die Dominanz von ehemaligen Geheimdienstmitarbeitern in den privaten Hörfunk- und Fernsehsendern. Ob sie in den turbulenten Nachwendejahren die kommerziellen Medien im Auftrag des alten Arbeitgebers gegründet haben? Mit Geld, dass aus Stasitresoren kam? Auf diese Fragen ist noch keine Antwort gefunden worden. Aber eines stehe fest, meint Ekaterina Bontscheva: „Wir stellen fest, dass einige Besitzer von kommerziellen Medien, die die Transition in Bulgarien beeinflusst und mitbestimmt haben, auch Stasi-Mitarbeiter gewesen sind. Also können wir keinesfalls behaupten, dass die Staatssicherheit die Wende in Bulgarien nicht beeinflusst hat.“

Autor: Alexander Andreev

Redaktion: Bernd Johann