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Buchtipp "Sirius" - Hundespion in Nazi-Deutschland

Jochen Kürten10. Oktober 2015

Ein Hund und seine abenteuerliche Geschichte: Der Foxterrier Sirius erzählt sein Leben in Nazi-Deutschland und Hollywood. Der spannende Roman von Jonathan Crown ist die passende Lektüre zum Welthundetag.

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Hund neben Roman "Sirius" (Foto: Jochen Kürten)
Bild: DW/J. Kürten

Eines Morgens brach die Gestapo die Tür auf, Isidor Reich wurde verhaftet und deportiert. Sämtliche Hunde wurden erschossen. Bis auf einen. Den kleinen Levi - er hatte sich rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Eine Nachfahrin fand das zitternde Fellknäuel in der hintersten Ecke der Küche, wo er wohl für ein Kissen gehalten worden war. Levi ahnte damals nicht, dass es nur der Vorhof zur Hölle war, der er entkommen war.

Aus Levi wird später "Sirius". Ein jüdischer Name im Deutschland des Jahres 1938 ist auch für Hunde nicht gut. Der kleine Foxterrier wächst heran, kommt ins Haus der angesehenen jüdischen Familie Liliencron und muss miterleben, wie der renommierte Wissenschaftler Carl Liliencron und dessen Familie von den Nazis drangsaliert werden.

Exil in Hollywood

Nach den gewaltsamen Ausschreitungen gegen die Juden flüchten sie aus Europa und gelangen schließlich in die USA, bis nach Hollywood. Das Familienoberhaupt schlägt sich als Chauffeur durch. Doch das Schicksal meint es gut mit dem Professor: Weil er berühmte Hollywoodgrößen kutschiert, wird eines Tages auch sein Hund entdeckt - und von den Filmstudios als Hundedarsteller verpflichtet. Der Foxterrier Sirius wird zum Liebling des Kinopublikums in ganz Amerika.

Schriftzug Hollywoodland (Foto: AP Photo/Courtesy of the Bruce Torrence Hollywood Photograph Collection)
Ein Hund erobert in den 30er Jahren Hollywood: "Sirius"Bild: AP

Später kommt er durch einen Zufall wieder nach Deutschland, findet notgedrungen zunächst Unterschlupf bei einem einfältigen SS-Mann, wird dann aber zum Leibhund Adolf Hitlers. Und zum Spion. Direkt im Führer-Hauptquartier kommt Sirius an wichtige Informationen und gibt diese an deutsche Widerstandskreise weiter.

Schwarzer Humor mit Tiefgang

Wer nur den groben Handlungsverlauf des Romans "Sirius" hört, der mag es nicht glauben: Ein Hund, der aus Nazideutschland nach Hollywood und wieder zurück gelangt, der zum Star in Hollywood wird und zum Spion des deutschen Widerstandes - das hört sich an wie eine billige Kolportage, eine Art absurde Comicgeschichte. Doch das Buch, das in Deutschland im vergangenen Herbst erschien und viele begeisterte Leser fand, hat etwas ganz besonderes geschafft: den Spagat zu meistern zwischen schwarzem Humor und beißender Satire, zwischen Nazi-Posse und gefühlvoller Erzählung.

"Sirius" von Jonathan Crown (Buchcover/Foto: Verlag Head of Zeus)
Bild: Head of Zeus

So verwundert es nicht, dass "Sirius" für eine Übersetzung ins Englische ausgewählt wurde. Deutsche Literatur in Großbritannien, den USA und der englischsprachigen Welt abseits von Günter Grass und Daniel Kehlmann ist nach wie vor Mangelware. "Sirius" könnte aber auch jenseits des Atlantiks zum Erfolg werden. Das hat verschiedene Gründe.

Nationalsozialismus und Hollywood als Romansujets

Der Roman spielt zur Zeit der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft. Das ist ein historisch relevantes Thema, das den Leser ergreift, auch wenn Realismus und Phantasie bei "Sirius" wild gemixt werden, sich immer wieder phantastische Momente in die realistischen Erzählblöcke schieben.

Der kleine Foxterrier Sirius feiert in Jonathan Crowns Fabel große Erfolge in Hollywood. Das dürfte auch den amerikanischen Leser interessieren, vor allem auch, weil Sirius während seiner Hollywood-Karriere auf Ikonen des Kinos wie Rita Hayworth und Cary Grant, Marlene Dietrich und Fritz Lang trifft. Und so absurd ist es ja auch nicht, über Hunde zu schreiben, die im Kino zu Stars werden.

An realen und überaus erfolgreichen Vorbildern von Lassie über Struppi und Rin Tin Tin bis zum Jack Russell Terrier Jack im oscargekrönten Welterfolg "The Artist" (2011) besteht kein Mangel.

Schauspieler Jean Dujardin mit Jack Russell Terrier Jack aus dem Film "The Artist" (Foto: Reuters/Gary Hershorn)
Der Jack Russell Terrier durfte sogar zur Oscarfeier 2012Bild: Reuters

Und schließlich: Bei allen verrückten Einfällen, die Jonathan Crown dem Leser in seinem Buch präsentiert, bei allen satirischen und phantastischen Ideen: Der Roman "Sirius" gefällt nicht nur durch Witz und Kalauer. Er erreicht im Laufe der Handlung eine verblüffende Tiefe und Warmherzigkeit. Themen wie Exil und Heimatlosigkeit, Flucht und Vertreibung werden dem Leser auf eine zwar leichte und auch leicht lesbare Art und Weise präsentiert, bleiben aber nachhaltig in Erinnerung. Auch das dürfte beim amerikanischen Publikum ankommen.

Spiel mit der Herkunft des Buches

Übrigens: Bei dem Autorennamen Jonathan Crown handelt es sich um ein Pseudonym. So heißt es vom deutschen Verlag augenzwinkernd:

… der öffentlichkeitsscheue Autor beharrt darauf, dass sein Foxterrier Alpha - ein Enkel des Romanhelden Sirius - ihm die Familiengeschichte erzählt hat. Crown musste die Erlebnisse nur protokollieren. Deshalb empfindet er sich nicht als Schriftsteller, sondern als Medium. "Es ist der erste Roman eines Hundes", sagt er. "Ich hoffe, das macht anderen Haustieren Mut, ihre Stimme zu erheben und die Weltgeschichte neu zu schreiben."

1943 - Lassie Come Home Film Szene (Foto: Imago EntertainmentPictures)
Legendärer Filmhund Lassie im Film "Lassie Come Home"Bild: Imago/EntertainmentPictures

Das witzige Spiel mit der Autorenschaft des Buches "Sirius" gehört mit zu diesem charmant funkelnden literarischen Kleinod. Inzwischen ist auch bekannt, wer hinter dem Namen Jonathan Crown steckt. Es ist der deutsche Journalist Christian Kämmerling. Im Englischen erscheint "Sirius - The story of a little dog, who almost changed History" auch unter dem Pseudonym. Und Jonathan Crown dürfte in England und Amerika ja auch irgendwie vertrauter klingen.

Die englische Ausgabe von "Sirius" erschien im August 2015 im Verlag "Head of Zeus", auf Deutsch liegt der Roman bei Kiepenheuer & Witsch vor.